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Von Ralf Schönball: „Das Böse ist in der Welt“

Das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk weist den Vorwurf der Untreue zurück: Der Vorsitzende werde verleumdet

Stand:

Berlin - Der Chef der gemeinnützigen Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk-AG, Siegfried Dreusicke, hat in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz den gegen ihn erhobenen Verdacht der Untreue zurückgewiesen. Er gab allerdings zu, dass er „im September 2008 einen Beratervertrag“ mit der Baufirma MBN mit Stammsitz in Niedersachsen abgeschlossen hatte. Deren Berliner Tochterfirma hatte ein knappes Jahr zuvor den Zuschlag für den Bau einer rund drei Millionen Euro teuren Seniorenresidenz an der Kornmesserstraße in Berlin-Lichterfelde vom EJF bekommen.

Es bestehe weder eine zeitliche noch eine inhaltliche Verbindung zwischen den beiden Vorgängen, versicherte Dreusicke. Gegen ihn ermittelt seit Monaten die Berliner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue. Dreusicke, Ehemann der Chefin des Amtsgerichtes Potsdam, gab ferner zu, dass die Baufirma nicht zum ersten Mal Aufträge von der gemeinnützigen Einrichtung erhalten hatte: Im Jahr 1998 habe die MBN den Zuschlag für den Bau einer Behinderteneinrichtung in Berlin-Biesdorf bekommen. Und im Jahr 2000 habe dieselbe Firma ein Wirtschaftsgebäude in der Ruppiner Chaussee in Berlin-Reinickendorf für das EJF gebaut. Dreusicke versicherte aber, dass er „nur einen Beratervertrag für Firmen, die für das EJF tätig waren“ abgeschlossen hatte.

Die Frage nach weiteren Zahlungen verneinte er. Auch zur Höhe des Beraterhonorars, das in einem Schreiben an alle Mitglieder des EJF-Vereins „40 000 bis 45 000 Euro“ betragen soll, wollte sich Dreusicke nicht äußern. Es habe sich um eine „pauschale“ Bezahlung für 25 Beratungsstunden im Monat gehandelt, die „nach Gebührenordnung abgerechnet“ und versteuert worden seien. Dreusicke kassiert für seine Tätigkeiten als Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer im EJF neben seiner anwaltlichen Tätigkeit außerdem 150 000 Euro im Jahr.

Der Aufsichtratsvorsitzende der Gesellschaft Ulrich Baßeler sagte, das Kontrollgremium habe „die Ordnungsmäßigkeit der Ausschreibung sowie der Durchführung des Bauauftrages geprüft“. Es sei alles nach rechten Dingen zugegangen. Auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hätte die Vorgänge untersucht. Er wies Angaben zurück, wonach die Firma einen Nachschlag bekommen habe: „Es gab keine Preiserhöhung, sondern eine Qualitätsverbesserung“ bei der Ausstattung der Senioreneinrichtung in Lichterfelde.

Rückendeckung erhielt Dreusicke auch von dem 71-jährigen Pfarrer aus Mittelbayern, der dem EJF-Verein vorsteht. Der Verein ist alleiniger Aktionär der von Dreusicke geführten Gesellschaft. Pfarrer Hans-Jürgen Krödel erklärt sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft so: „Das Böse ist in der Welt.“ Von Neid und Verleumdungen sprach Krödel weiter. Innerhalb des Vereins rumort es wegen des Beratervertrages von Dreusicke. Mehrere Mitglieder fordern Aufklärung über die Vorgänge. Dreusicke selbst erklärte am Mittwoch, er habe seinen Beratervertrag zwei Mitgliedern des Aufsichtsrates offen gelegt. Diese Darstellung bestätigte Aufsichtsratschef Baßeler.

Während Aufsichtsrat und Geschäftsführer der EJF-Aktiengesellschaft im Schulterschluss von „verleumderischen und verfälschenden Darstellungen“ sprechen, scheint das Verhältnis zum „Eigentümer“ getrübt. Pfarrer Krödel sagte, dass es bereits zum Ausschluss von zwei Mitgliedern gekommen sei, die man später aber wieder aufgenommen habe. Einer dieser beiden Mitglieder habe einen großen Teil der Beratungsaufträge erhalten, die im vergangenen Jahr vereinsintern vergeben worden waren. Dafür seien im Jahr 2009 nach Angaben von Aufsichtsratschef Baßeler 90 000 Euro geflossen. Solche „anwaltsübliche Tätigkeiten sind hin und wieder von Mitgliedern des Vereins erfolgt“, sagte Baßeler weiter. Man sei aber bestrebt, die Auftragsvergabe unter Vereinsmitgliedern „zurückzuschneiden“.

Dreusicke sagte, er sei nicht auf den Gedanken gekommen, dass die Annahme eines Beratungsauftrags von einer Firma, der er einen millionenschweren Bauauftrag erteilt hatte, bedenklich ist. „Ich bedauere es nicht – ich bedauere nur das Theater, das dadurch entstanden ist“, sagte er weiter. Er wolle im kommenden Jahr aus dem EJF ausscheiden, daher habe er seine anwaltliche Tätigkeit wieder aufgebaut, so der 68-Jährige.

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