Von Andreas Wilhelm: Energie aus vier Kilometern Tiefe Eine Essener Firma plant nördlich von Berlin, in großem Stile unterirdische Hitze zu verstromen
Finowfurt - Bei einer Fahrstuhlfahrt durch den märkischen Sand hinab in die Erde ließe sich die Tiefe an einem Thermometer ablesen: Denn alle 33 Meter erhöhe sich die Temperatur durchschnittlich um ein Grad, sagt Werner Stackebrandt, Chefgeologe beim brandenburgischen Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe. Und die höheren Temperaturen im Erdinneren will die Essener Firma Enro Geothermie-GmbH, die eine Außenstelle in Ludwigsfelde hat, nun in großem Stil nutzen.
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Finowfurt - Bei einer Fahrstuhlfahrt durch den märkischen Sand hinab in die Erde ließe sich die Tiefe an einem Thermometer ablesen: Denn alle 33 Meter erhöhe sich die Temperatur durchschnittlich um ein Grad, sagt Werner Stackebrandt, Chefgeologe beim brandenburgischen Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe. Und die höheren Temperaturen im Erdinneren will die Essener Firma Enro Geothermie-GmbH, die eine Außenstelle in Ludwigsfelde hat, nun in großem Stil nutzen.
In viereinhalb Kilometern Tiefe unter einem Gewerbegebiet in Finowfurt (Barnim) will sie nach dem 150 Grad heißen Gesteinspaketen bohren. Durch die Bohrungen soll Wasser zirkulieren, um dann an der Oberfläche Heizungen sowie ein Stromkraftwerk speisen. „Wenn alles klappt, fangen wir im März an den Bohrplatz einzurichten“, sagt Thomas Neu, Geschäftsführer der Firma, die 24 Ingenieure beschäftigt. Von unschätzbarem Wert dabei, so Neu, sind über 20 Jahre alte Erkenntnisse. Der Barnimer Untergrund sei sehr gut erkundet. „Schon zu DDR-Zeiten haben Ingenieure etliche sogenannte Explorationsbohrungen durchgeführt, um nach möglichen Erdgas- oder Erdöl-Lagerstätten zu suchen.“
Fünf Anlagen mit jeweils vier Bohrungen will die Firma Enro errichten. Die Standorte seien in einem Konvoi aneinandergereiht und jeweils fünf Kilometer voneinander entfernt. Drei bis vier Monate könne es jedes Mal dauern, bis das Diamant besetzte Schneidwerkzeug in viereinhalb Kilometern Tiefe ankommen wird – im Schnitt mit einer Geschwindigkeit von circa 1,80 Meter pro Stunde. Zusammen mit dem Kraftwerksbau, so die Hoffnung des Firmen-Chefs, könnte die erste Anlage Ende 2010 in Betrieb gehen. „Alles steht und fällt jedoch mit der Finanzierung“, räumt Neu ein. 120 Millionen Euro wird die erste Anlage kosten. Gesamtinvestition für alle fünf Löcher, so schätzt der gelernte Bergbauingenieur: 450 Millionen Euro. Eigentlich hatte sich eine Investorengruppe aus Boston, deren Namen Neu nicht veröffentlichen will, hinter die Anlage in Barnim gestellt. „Wegen der Finanzkrise ist das Projekt allerdings wieder ins Wanken geraten.“ Thomas Neu ist optimistisch, dass sich die Amerikaner doch noch für die Finanzierung entscheiden. „Im schlimmsten Fall findet der Anpfiff später statt.“ Auch Hilfe aus dem Konjunkturpaket der Bundesregierung schließt Thomas Neu für das Geothermieprojekt nicht aus.
Von anderer staatlicher Seite erhoffe er sich keine Unterstützung. Das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz), das stabile Abnahmepreise für die kommenden 20 Jahre garantiert, sei schließlich schon eine Subvention vom Staat.
Landes-Chefgeologe Stackebrandt schätzt, dass man in Brandenburg mit der Geothermie jetzt soweit sei, wie mit der Windenergie vor acht Jahren. Und auch im Wirtschaftsministerium des Landes weiß man, dass sich der Untergrund hervorragend für Geothermie eignet, die Technologie zur Wärmegewinnung aber noch in den Kinderschuhen steckt. Diese Entwicklung würde Thomas Neu gerne beschleunigen. Immerhin: Seinen Worten zufolge ersetzt ein Geothermie-Kraftwerk rein rechnerisch acht neue Windkraftanlagen. „Die Energie fließt, im Gegensatz zu Windmühlen und Solarparks, bei Flaute und bewölktem Himmel.“ Und man benötige keine langen Stromtrassen, um den Strom im Land zu verteilen, weil die Hitze praktisch überall unter der Erde schlummert, so der Enro-Chef, der auch im Saarland und der Türkei Projekte vorbereitet. Aus Namibia, Chile und Brasilien seien ebenfalls schon Anfragen gekommen. Doch die kann er zurzeit wegen der Lage am Finanzmarkt nur „in die Warteschleife“ schicken.
Andreas Wilhelm
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