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Brandenburg: „Erst überlegen, dann entscheiden“

Warum Platzeck mit Personal-Vorstößen immer wieder scheitert

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Potsdam - In der SPD hört man jetzt oft: „Es tut uns leid um Britta Stark.“ Sozialdemokratische Politiker sind sich nämlich ziemlich sicher, dass die von Ministerpräsident Matthias Platzeck und seinem Fraktionschef Günter Baaske (beide SPD) im November mit großen Vorschusslorbeeren präsentierte Rechnungshof-Präsidentin in spe dieses Amt nicht antreten wird. Der Grund ist die heftige Debatte über Postenschacher, die den Ruf der 42-jährige Abgeordneten beschädigt hat. Nicht nur, dass ihre Kompetenz – Stark ist weder Juristin noch Finanzexpertin – für dieses herausgehobene Amt bezweifelt wird. Schwerer wiegt, dass ihre Wahl mit hoher Wahrscheinlichkeit auch rechtlich anfechtbar wäre, da ein Jurist mit Befähigung zum Richteramt an der Spitze des Hofs stehen sollte. Stark selbst, eine durchaus profilierte Innenpolitikerin, leidet unter dem Druck. Teilnehmer berichten, dass sie während der Fraktionssitzung am Dienstag weinte, auf der Ministerpräsident Matthias Platzeck vorsichtig von ihr abrückte. „Wir stehen das nicht durch.“ Die Fraktion stellte sich zwar hinter Stark, doch glauben SPD-Politiker, dass sie selbst Konsequenzen ziehen wird, um ihrer weiteren Demontage Einhalt zu gebieten. Stark war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, ihr Handy war ausgeschaltet.

Die Schuld an dem Desaster trägt allerdings nicht die Landtagsabgeordnete. Sozialdemokraten machen keinen Hehl daraus: „Den Fehler haben Platzeck und Baaske gemacht, als sie Stark überstürzt als Nachfolgerin von der Aues ausriefen.“ Dabei weiß im Landtag jeder, dass der Rechnungshof seit der spektakulären Suspendierung von Vizepräsident Arnulf Hülsmann wegen eines Betrugsverfahrens in den Schlagzeilen ist und sich in einer schwierigen Lage befindet. Nach dem Ausscheiden von Gisela von der Aue ist das oberste Kontrollorgan des Landes praktisch kopflos. Kein Präsident, kein Vizepräsident, obendrein stehen zwei der drei Direktoren – von denen auch keiner Volljurist ist – vor der Pensionierung. „Deshalb hätte es besonderer Sorgfalt bei der Auswahl der Nachfolge-Kandidaten bedurft“, bemängeln Juristen, die auf die besondere Stellung des Hofs verweisen: Die Mitglieder des Präsidiums genießen richterliche Unabhängigkeit.

Auch der von der gar nicht zuständigen Staatskanzlei (federführend ist der Landtag) als Berater hinzugezogene frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Ernst Benda kann da nur den Kopf schütteln: Man muss erst überlegen, bevor man eine Entscheidung trifft, lautet einer seiner Ratschläge. Aus der SPD ist jetzt entschuldigend zu hören, man habe mit der schnellen Nominierung Starks Spekulationen vermeiden wollen, dass die nach Ansicht mancher zu defensiv agierende Sozialministerin Dagmar Ziegler (SPD) zum Rechnungshof „abgeschoben“ werden solle. Wenn das zuträfe, wäre das ein weiterer Beleg für den Dilettantismus in der SPD-Personalpolitik.

Es fällt jedenfalls auf: Die Stark-Personalie ist nicht die einzige, die schief gelaufen ist. Ausgerechnet bei den Frauen scheint die SPD-Spitze Pech zu haben: So sollte nach der Landtagswahl 2004 die SPD-Abgeordnete Martina Gregor neue Landtagspräsidentin werden. Sie hatte die Unterstützung von Platzeck und Baaske. Trotzdem konnte sie sich nicht gegen den Konkurrenten aus den eigenen Reihen, den früheren Fraktionsvorsitzenden Gunter Fritsch, durchsetzen. Im Sommer 2006 dann die nächste Panne: Platzeck kürte die Abgeordnete Martina Münch zur Cottbuser Oberbürgermeister-Kandidatin. Die Ärztin und Mutter von sieben Kindern wurde in den Medien bereits als „von der Leyen aus Brandenburg“ gefeiert. Sie stieg zur Vize-Parteivorsitzenden auf und wurde in der SPD als Hoffnungsträgerin gepriesen. Doch dann tauschte Platzeck die OB-Kandidatin wegen mangelnder Erfolgsaussichten einfach gegen den damaligen Infrastrukturminister Frank Szymanski aus.

Allen drei Fällen ist eines gemeinsam: Es handelt sich um einsame, nicht genügend kommunizierte und zu Ende gedachte Entscheidungen der SPD-Spitze. „Es wird nach dem Bauchgefühl entschieden“, sagt ein Sozialdemokrat, der sich fragt, wo das politische Gespür von Regierungs- und Parteichef Platzeck geblieben ist.

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