Von Karin Schädler: Gut integrierte Chefs
Immer mehr Deutschstämmige arbeiten für Unternehmer mit Migrationshintergrund. Die aktuelle politische Debatte nervt sie
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Berlin - Als Saleh Azzawi gefragt wird, ob ihn die aktuelle Integrationsdebatte beunruhige, muss er lachen. Der in Syrien aufgewachsene Unternehmer läuft durch die Büros seiner Kreuzberger Firma. Thilo Sarrazin und andere, die sich sehr negativ zur Integration äußern, lassen den Firmenchef kalt: „Die wollen doch nur Geld verdienen.“ Azzawi ist studierter Grafikdesigner und seit 30 Jahren hier Unternehmer. In Berlin sei er „fast bekannt“, witzelt er, und meint damit wohl die diplomatischen Kreise, in denen er verkehrt.
Von den zehn Mitarbeitern in Azzawis Druck- und Verlagsbetrieb sind vier deutschstämmig. Damit ist der Unternehmer keine Ausnahme: Viele Firmenchefs mit Migrationshintergrund beschäftigen eine hohe Zahl an deutschen Mitarbeitern, Schätzungen liegen allerdings nur für türkische Arbeitgeber vor. Azzawi sagt, es sei für ihn „ganz normal“, Deutsche einzustellen. Er unterscheide nicht nach Nationalität, Religion oder Aussehen, sondern nach Qualifikation und Fleiß. Er habe einmal einen sehr guten Azubi gehabt, der Punk war. Auch einen Juden gibt es in seinem Team. Der Kommunikationsdesigner Szymon Szymanski sagt ironisch: „Unsere Firma ist ein schlechtes Beispiel für gescheiterte Integration.“ Sein Kollege Rainer Schubert, Chefredakteur der von Azzawi herausgegebenen Zeitschrift ArabForum, hält die Diskussion für eine „Phantomdebatte“. „Für mich ist nur wichtig, ob jemand nett ist oder ein Blödmann.“
Wenn es im Team verschiedene Meinungen gibt, dann weniger zur Integration, sondern eher zum Islam. Azzawi bezeichnet sich als liberaler Muslim und hält Religion für eine Privatsache. Trotzdem kommen oft Fragen: Ein Diskussionsthema sei etwa das „Apostasieverbot“, das die Abkehr vom Islam untersage. Allerdings möchte niemand in der Firma diese Gespräche als Streit verstanden wissen.
Offenen Streit gibt es auch im Steuerbüro von Süreyya Inal nicht, allerdings hat die Integrationsdebatte hier mehr Spuren hinterlassen. Von ihren 15 Mitarbeitern seien sieben deutschstämmig, so Inal. Eigentlich bemerke sie keine Unterschiede zwischen ihren Mitarbeitern. Doch als sie ihr Steuerbüro einmal früher schloss, um an einer Demonstration gegen den Buchautoren Sarrazin teilzunehmen, kamen ihre deutschstämmigen Mitarbeiter nicht mit. „Da habe ich gemerkt, dass sie das als mein Problem sehen, nicht als ihres“, sagt Inal.
Rainer Radtke ist seit 18 Jahren bei ihr als Steuerberater angestellt. Er sagt Sätze wie „Integration ist ein Problem“, wobei er seine Kollegen und Mandanten ausnimmt. Seine Kollegin Jana Christoffers meint, die migrantischen Mandanten des Steuerbüros könnten wohl nicht diejenigen sein, die Sarrazin meine. „Denn sie sind wirklich integriert, haben Deutsch gelernt und hier Unternehmen aufgebaut“, sagt Christoffers. Doch während ihre Chefin gegen Sarrazin demonstriert, weil seine pauschalen Aussagen auch eine erfolgreiche Unternehmerin wie sie einschlössen, hat sich Christoffers gerade dessen Buch gekauft. Eine weitere deutschstämmige Mitarbeiterin, die mit einem Araber verheiratete Esther Haluany, meint gar, sie wisse nicht, warum „wir“ etwas für die Integration tun sollen: „Die wollen doch hierherkommen, wir haben sie nicht darum gebeten.“
Allerdings wurden die Eltern ihrer Chefin gebeten, nach Deutschland zu kommen, nämlich vor Jahrzehnten als Gastarbeiter. Für sie sei es „selbstverständlich“, Deutsche einzustellen, sagt Inal. Sie schaue nicht auf die Herkunft. Wegen schlechterer Bildungschancen gebe es in ihrer Branche leider nur wenige Migranten mit der notwendigen Qualifikation.
Der Anteil der deutschstämmigen Mitarbeiter in türkischen Unternehmen steige „rasant“, sagt der Leiter des Bildungswerks Kreuzberg, Nihat Sorgec. „Schließlich wollen diese Unternehmer ihre Dienstleistungen der Mehrheitsgesellschaft anbieten.“ Allerdings seien auch türkischstämmige Arbeitnehmer beliebt, weil sie häufig billiger seien und weniger gut über ihre Rechte als Arbeitnehmer Bescheid wüssten.
Der Ingenieur Yalcin Uzunur beschäftigt in seiner Weddinger Firma für Edelstahlbearbeitung ebenfalls viele Deutschstämmige – fünf von 12 Mitarbeitern. Einen Chef mit türkischen Wurzeln zu haben sei keine Umstellung, sagt sein Vorarbeiter Andreas Tiede: „Im Handwerk arbeiten sowieso Leute aller Nationalitäten zusammen.“ Von der Integrationsdebatte ist Tiede genervt: „Es wird so dargestellt, als ob alle Türken dumm sind.“ Besonders das Thema Islam werde „kräftig aufgebauscht“, meint auch die deutschstämmige Mitarbeiterin Anja Tchachoua, deren Ehemann aus Kamerun stammt. Sie erfahre von ihren türkischstämmigen Kollegen viel über deren Kultur und Religion. Tiede meint: Wie die muslimischen Kollegen den Glauben leben oder nicht leben, sei ebenso vielfältig wie unter Christen.
Sein Chef Uzunur lässt sich von der Integrationsdebatte nicht aus der Ruhe bringen. Wenn CSU-Chef Horst Seehofer sage, Türken und Araber könnten generell schwer integriert werden sei er schon kurz verärgert. „Aber die Aussage ist ja Blödsinn“, sagt der Unternehmer.
Karin Schädler
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