zum Hauptinhalt

Skandal um geschlossene Heime: Haasenburg-Betreiber wehren sich

Der Träger der wegen Missbrauchsvorwürfen geschlossenen Heime legt am Oberverwaltungsgericht ein entlastendes Gutachten vor. Ein Psychiatrie-Experte verteidigt darin die rigiden Zwangsmaßnahmen.

Von Katharina Wiechers

Stand:

Potsdam - Die Betreiber der wegen Missbrauchsvorwürfen geschlossenen Haasenburg-Heime gehen nun in die Offensive. Sie haben dem Gericht ein Gutachten eines Psychiatrie-Experten vorgelegt, das den Umgang mit Kindern und Jugendlichen in den Heimen rechtfertigt. Es soll die Position der Betreiber im Rechtsstreit mit dem Brandenburger Bildungsministerium stärken. Ende des Monats will das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) entscheiden, ob die Schließung der Haasenburg-Heime Ende vergangenen Jahres rechtens war.

Bei dem Autor des Gutachtens, das die Haasenburg-Betreiber in Auftrag gegeben haben, handelt es sich um Frank Häßler, Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universität Rostock und ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie. In seiner „Stellungnahme“ bezieht er sich vor allem auf die viel kritisierten Zwangsmaßnahmen, die in der Haasenburg angewandt wurden. Ein genereller Verzicht auf Zwangsmaßnahmen sei „nicht nur nicht denkbar sondern auch pädagogisch, psychotherapeutisch und juristisch bedenklich“, schreibt der Psychiater. Kinder und Jugendliche, die in geschlossenen Einrichtungen untergebracht seien, hätten eine lange Behandlungsgeschichte hinter sich, die nicht geeignet war, ihre Probleme zu reduzieren. Außerdem habe sogar die vom Brandenburger Bildungsministerium eingesetzte Untersuchungskommission festgestellt, dass „womöglich nur ein Fünftel oder ein Viertel aller untergebrachten jungen Menschen“ mechanische Fixierung und andere Formen von Begrenzung erfahren hätten. Daraus schließt Häßler: „Von einem Repressionsklima kann somit keine Rede sein.“

Die Empfehlungen der Kommission bewertet der Psychiater als untauglich. Diese hatte unter anderem einen Wechsel der Trägerschaft der Heime, ein Verbot von Antiaggressions- und körperlichen Zwangsmaßnahmen oder einen „Alarmknopf“ für jedes Kind mit Verbindung zu einer Polizeidienststelle oder Rettungswache vorgeschlagen. Aus Häßlers Sicht sind viele dieser Empfehlungen nicht fundiert. „Andere entsprechen allgemeinen Forderungen und Idealen, die in der Praxis als Leitbild aber nur angestrebt werden können und wegen der Komplexität der Strukturen und Verhaltensmuster in keiner Einrichtung jemals zu 100 Prozent zu erreichen sind.“

Am Ende seines 23-seitigen Schreibens gibt der Arzt noch eine „persönliche Einschätzung ab“. Er selbst kenne die Haasenburg und einige ehemalige Patienten. „Grundsätzlich habe ich im Rahmen dieser Erfahrungen den Eindruck gewonnen, dass in der Haasenburg hohe Standards galten und das Personal strukturiert und verantwortungsbewusst sowohl an ihrem Erziehungsauftrag als auch am Kindeswohl orientiert agierte.“ 

Der von Häßler kritisierte Bericht der Kommission hatte die Grundlage für Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) geboten, sich für eine Schließung der Haasenburg-Heime zu entschließen. Das sechsköpfige Gremium unter Vorsitz des Psychologen Martin Hoffmann kam zu dem Ergebnis, dass die Haasenburg in der bisherigen Form für die schwierige Klientel ungeeignet sei. Die Mitarbeiter der Haasenburg setzten auf Drill und Umerziehung. Hoffmann nannte Schilderungen ehemaliger Mitarbeiter und Betroffener glaubwürdig, wonach Zwangsmaßnahmen wie Fixierungen – teilweise stundenlanges Festschnallen an Betten – nicht nur in Not- und Notwehrsituationen, sondern zur Disziplinierung angewandt wurden. Erst kürzlich berichtete eine ehemalige Insassin, dass Betreuer spätnachts in ihr Zimmer gestürmt seien und ihr befohlen hätten, den Schrank aufzuräumen und binnen zehn Minuten das Bad zu putzen. Die 17-jährige Christina Witt gab außerdem an, anfangs ständig eingeschlossen gewesen zu sein. Nur wer sich die sogenannte „grüne Phase“ verdient habe, habe das Gelände verlassen dürften.

Die Haasenburg-Betreiber verteidigen dieses System hingegen und ziehen Parallelen zum „kalten Entzug“ am Beginn eines Drogenentzugs – schließlich seien die Kinder und Jugendlichen meist noch nie in ihrem Leben mit strengen Regeln konfrontiert worden. Die Kinder und Jugendlichen seien oftmals selbst Täter und würden nun von den Medien zu Opfern gemacht. Und sie verweisen darauf, dass die Untersuchungskommission trotz allem „nur“ eine latente Kindswohlgefährdung festgestellt hat – tatsächliche Belege für einzelne Taten fehlten. Nun hoffen die Betreiber, dass die Richter das Eilverfahren zu ihren Gunsten entscheiden und die Haasenburg-Heime wieder geöffnet werden können. Auch Frank Häßlers Gutachten soll dazu beitragen. Katharina Wiechers

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })