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Von Matthias Matern: In drei Tagen 120 Liter pro Quadratmeter

Seit August stehen die Äcker im Oderbruch unter Wasser. Schuld sei das Land, behaupten die Bauern

Von Matthias Matern

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Wriezen - Seit anderthalb Monaten stehen weite Teile seiner Felder unter Wasser, dennoch hat Friedrich-Wilhelm König die Hoffnung noch nicht aufgeben. „Wenn wir einen richtigen Altweibersommer ohne Niederschläge bekommen, könnten wir vielleicht noch die Kurve kriegen“, meint der 55-jährige Landwirt aus Bliesdorf im Kreis Märkisch-Oderland. Wie König, mussten Mitte August viele Bauern im Oderbruch hilflos mitansehen, wie nach wolkenbruchartigen Regengüssen ihre Äcker und Weideflächen überfluteten. Anstatt über die zahlreichen Entwässerungsgräben und verzweigten Flussarme der Alten Oder abzulaufen, blieb das Wasser einfach stehen. Etwa 180 Betriebe sind nach Angaben des Landesbauernverbandes betroffen. Rund 50 000 Hektar Fläche stehen entweder unter Wasser oder sind durch die Flut vorerst unbrauchbar geworden.

„Es war, als wenn das Land untergeht“, erinnert sich König an die schweren Regenfälle. Etwa 120 Liter pro Quadratmeter seien innerhalb von nur drei Tagen gefallen. Seitdem kann der Landwirt nur noch gut die Hälfte seiner Felder bewirtschaften. Der Familienbetrieb baut Winterweisen, Raps, Zuckerrüben und Mais an. Doch für die Wintersaat sieht Friedrich-Wilhelm König schwarz. „In diesem Jahr hatten wir wegen des Wetters zwar eine schlechte Ernte, aber immerhin hatten wir noch eine Ernte“, sagt er. Mit weit dramatischeren Auswirkungen rechnet der Bauer im kommenden Jahr.

Der Landesbauernverband schätzt den wirtschaftlichen Schaden auf etwa 25 Millionen Euro. „Vorsichtig geschätzt“, meint Verbandssprecher Holger Brantsch. „Die Lage ist katastrophal. Teilweise steht das Wasser bis zu den Getreideähren.“ Doch nicht nur die Ernteausfälle würden die Kalkulationen der Bauern belasten, meint Brantsch. Dort, wo das Wasser mittlerweile abgelaufen sei, müsse aufgeräumt werden, der Ackerboden vom angeschwemmten Unrat gesäubert werden. „Viele müssen zudem mehr Futter als sonst für ihre Tiere dazukaufen“, ergänzt der Verbandssprecher.

Unterdessen sehen die Landwirte im heftigen Regen nur den Auslöser der Überschwemmungen, nicht aber die eigentliche Ursache. Die Schuld an der Misere geben sie dem brandenburgischen Landesumweltamt (LUA). Bei der Pflege der Oderarme habe das Land in den vergangenen Jahren geschlampt. „Die Alte Oder, als das zentrale Ablaufsystem für den Oderbruch, ist an einigen Stellen fast mit Schilf zugewachsen. Teilweise blockieren sogar umgefallene Baumstämme das Fließgewässer“, behauptet Brantsch.

Zum Teil hält Professor Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes, die Kritik für berechtigt „Wir haben noch viel Arbeit vor uns, doch verschlampt haben wir nichts“, meint er. In Absprache mit den Landwirten der Region habe das Land Brandenburg vor rund zwei Jahren ein Sofortprogramm für den Oderbruch aufgelegt. Bis 2013 sind insgesamt 10,9 Millionen Euro für die Instandsetzung der Wasserläufe vorgesehen. Gräben sollen gereinigt, verbreitert und ausgebaggert werden. Bislang wurden etwa 2,4 Millionen Euro ausgegeben.

Die Bauern halten die Gesamtsumme für zu gering, drohen sogar mit Klage. „Keine Region außer dem Spreewald bekommt mehr Geld für den Gewässerunterhalt als der Oderbruch“, sagt LUA-Präsident Freude. Angaben des Deutschen Wetterdienstes zufolge habe es im August nirgendwo in Deutschland so viel geregnet wie im Ort Manschnow im Oderbruch. „Kein Grabensystem, egal wie gut der Zustand ist, hätte diese Wassermassen aufnehmen können“, sagt Freude. Zudem stehe derzeit fast überall im Land Wasser auf den Feldern. „Das ist einfach ein verrücktes Jahr.“

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