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Brandenburg: „Karierte Wolken“

Dokumentiertes Leid und Unrecht – das Zuchthaus Cottbus wird zur Gedenkstätte

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Cottbus - Vom Zuchthaus zum Gedenkhaus: Nach dreijährigen Bauarbeiten wird am 10. Dezember die Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus mit einer Dauerausstellung eröffnet. Die Schau trägt den Titel „Karierte Wolken – Politische Haft im Zuchthaus Cottbus 1933 bis 1989“. Die multimediale und interaktive Exposition wird im Hafthaus 1 im Erdgeschoss im ehemaligen Küchenbereich gezeigt. Dort erinnern auf 450 Quadratmetern Fotos und andere Dokumente an Leid und Unrecht, das die Gefangenen erdulden mussten.

Träger der Gedenk-, Bildungs- und Begegnungsstätte im historischen Gefängniskomplex ist der Verein Menschenrechtszentrum Cottbus. Ex-Gefangene hatten ihn im Oktober 2007 gegründet – als Mahnung an das Unrecht und als Geste der Versöhnung. Ende der 1980er-Jahre waren in Cottbus etwa 80 Prozent der Häftlinge aus politischen Gründen eingesperrt, oft wegen versuchter Republikflucht.

„Wir konnten nicht die ganze Geschichte des Gefängnisses darstellen, sondern konzentrieren uns auf Beispiele des politischen Unrechts während der NS-Terrorherrschaft und der SED-Diktatur“, sagte die Geschäftsführende Vereinsvorsitzende Sylvia Wähling. So würden 28 Häftlingsbiografien sowie Berichte politischer Gefangener präsentiert. „Außerdem weisen wir an mehreren Stellen auf das Thema Menschenrechte hin, die noch in vielen Ländern verletzt werden.“ In dem 1859 eröffneten Königlichen Central-Gefängnis in Cottbus verbüßten bis 1945 nur Frauen ihre Strafe, ab 1953 nur Männer. Unter den Frauen waren in der NS-Zeit gegen Kriegsende auch Etliche, die sich dem Widerstand gegen das Hitler-Regime angeschlossen hatten.

Zwischen Kriegsende 1945 und Mauerfall 1989 war jeder zweite der 30 000 Häftlinge in Cottbus ein „Politischer“, wie der aus Cottbus stammende Journalist Tomas Kittan in einer Broschüre über das Zuchthaus schreibt. Die SED habe in Cottbus ihre Staatsfeinde konzentriert – die kritische Intelligenz. Etwa 5000 bis 8000 Häftlinge seien gegen Devisen in den Westen verkauft worden.

Wenn Besucher am 10. Dezember die Dauerausstellung erstmals besichtigen, können sie sich im zweiten Stockwerk des Hafthauses 1 auch einen rekonstruierten Zellentrakt mit vierstöckigen Betten ansehen. Das Gefängnis war für 600 Insassen ausgelegt, musste aber teils doppelt so viele aufnehmen. Deshalb wurden sie unter unmenschlichen Bedingungen eingepfercht bis zu 28 Mann mit einer Toilette und einem Waschbecken im Raum und mit Blick durch vergitterte Zellenfenster auf „karierte Wolken“.

Zu den Gefangenen gehörte auch Dieter Dombrowski, derzeit CDU-Fraktionschef im Brandenburger Landtag. Er kam Mitte der 70er-Jahre nach 20-monatiger Haft wegen versuchter Republikflucht durch Freikauf in den Westen- und engagiert sich seit 1997 als Vorsitzender des Vereins Menschenrechtszentrum maßgeblich für den Aufbau der Cottbuser Gedenkstätte. Das schwere Los im Zuchthaus teilten damals auch andere „Politische“, wie Gunter Fritsch, heute Landtagspräsident, der Schriftsteller Siegmar Faust oder der spätere Schauspieler Uwe Kockisch.

Der Verein hatte das seit 2002 leer stehende Gefängnis am Stadtring in Bahnhofsnähe 2011 von einem privaten Investor gekauft. Bisher konnten erst das Hafthaus 1 und das Torhaus saniert werden – für 1,7 Millionen Euro aus Mitteln von Land, Bund und Stadt sowie von Spendern. Das Geld für die Dauerausstellung mehr als eine halbe Million Euro kam komplett vom Bund. Wähling hofft, dass künftig noch mehr Mittel für den Ausbau der Gedenkstätte fließen werden. „Wir wollen die Unrechtsgeschichte dieses Ortes weiter aufarbeiten, um einen Beitrag zur Versöhnung leisten zu können.“

Peter Jähnel

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