zum Hauptinhalt
Besetzung geht weiter. Ein Teil der Roma zieht in ein Flüchtlingsheim nach Spandau, etwa 20 Personen bleiben aber weiterhin auf dem Gelände der Sankt-Marien-Liebfrauen-Gemeinde in der Wrangelstraße in Berlin-Kreuzberg.

© Günter Peters

Von Ferda Ataman: Katholiken wollen mit den Roma Pfingsten feiern

Kreuzberger Gemeinde bietet 20 Rumänen bis auf weiteres Obdach. Teil der Gruppe im Asylbewerberheim

Stand:

Berin - Der weiße Bus der Arbeiterwohlfahrt lässt den Motor laufen, als hintereinander knapp 30 Roma, mit Tüten und Taschen bepackt, einsteigen. Um sie herum steht ein Pulk von linken Kreuzbergern, die sich zu ihren Beschützern erklärt haben und Schaulustige wegdrängen. Das Fahrtziel der Männer, Frauen und Kinder, die Donnerstag die Sankt-Marien-Liebfrauen-Kirche besetzt hatten, ist das Asylbewerberheim in der Spandauer Motardstraße. Nach tagelangen Gesprächen an Runden Tischen sind sie auf das Angebot des Senats eingegangen. Der andere Teil der Romagruppe, schätzungsweise 20 Menschen, will vorerst in der Kirche bleiben. Wie lange, ist noch unklar.

„Wir sehen uns in der Pflicht, eine Übergangslösung zustande zu bringen“, erklärt Pfarrer Olaf Polossek am Freitagnachmittag bei einer Pressekonferenz. Es könne sich dabei allerdings nur um Tage handeln. „Wir genießen das Vertrauen der Roma und versuchen, gemeinsam eine Lösung zu finden.“ Der Gemeindesaal, in dem weiterhin einige Romafamilien untergebracht sind, werde bis dahin keinesfalls geräumt. Die katholische Gemeinde wolle helfen, wo es geht. „Unsere Mitglieder sind es gewohnt, mit armen Menschen zusammenzuleben“, sagt Bettina Jarasch, die Vorsitzende des Gemeinderats. Wie allerdings die sanitäre Versorgung der unerwarteten Gäste auf dem Kirchengelände geregelt wird und woher Essen kommen soll, ist ungewiss. „Wir hoffen da auf den Bezirk“, sagt Jarasch. Die Kirche will vermitteln, dabei aber nicht allein gelassen werden.

Die Politik steht weiterhin in Zugzwang: Die Familien aus Rumänien kommen aus extrem armen Verhältnissen. Sie schliefen zunächst unter freiem Himmel, obwohl unter ihnen kleine Kinder und schwangere Frauen sind, manche schwerkrank. Der Senat spricht von einer Notlage. Die Roma sind EU-Bürger und rechtmäßig als Touristen eingereist. Ein Anrecht auf Asyl haben sie als solche nicht. Jetzt werden sie zunächst für eine Woche in Spandau untergebracht. In dieser Zeit soll geprüft werden, wer in der Gruppe unter Umständen Anrecht auf Sozialhilfe hat. Für die anderen werde dann „Rückkehrhilfe“ geleistet, wie es in Notfällen üblich sei.

Offenbar wehren sich einige der Roma nicht mehr gegen eine Rückkehr nach Rumänien. „Einige wollen wieder zurück – sie hatten andere Vorstellungen von dem, was sie in Deutschland erwartet“, erklärt Jarasch nach den Gesprächen mit Romavertretern. Für diejenigen, die nicht in den Bus nach Spandau gestiegen sind, ist eine Rückkehr in das Heimatland jedoch keine Option. Bei ihnen stehen Bezirk und Senat vor einer noch schwierigeren Situation.

Die Kirche will sich allerdings nicht in die politische Debatte einmischen. „Eine Kirchengemeinde kann nun mal nicht alles heilen, was in Deutschland schief läuft“, sagt Jarasch. Wenn die Familien das Gebäude demnächst verlassen, werde in jedem Fall ein „schales Gefühl zurückbleiben“. Mit dem Einzug der Roma in das Kirchengebäude sei ein trauriges Stück europäischer Wirklichkeit näher gerückt. „In Rumänien wurden sie offenbar in Lager verdrängt, deren Zustände wir uns hier gar nicht vorstellen können.“

Zwischen Kirchenvertretern und dem „UnterstützerInnenkreis“, wie sich die Gruppe aus dem Künstlerhaus Bethanien nennt, sollen „konstruktive Gespräche“ stattgefunden haben. „Wir waren uns überraschend einig“, sagt Jarasch, „es geht nur darum, was die Roma für das Beste halten.“ Am Abend zuvor hatte die zum Teil aggressiv gegen Journalisten vorgehende Gruppe Pfarrer Polossek noch vorgeworfen, dass er sich bei den Gesprächen mit Vertretern von Senat und Bezirk im Gemeindesaal nicht politisch engagiere. Worte wie „Abschiebelager“, „Pogrome“ und „Stacheldraht“ fielen. „Jesus hat auch Grenzen überschritten“, sagte etwa eine junge Frau zum Geistlichen in einer Zigarettenpause. In gewisser Weise sei ziviler Ungehorsam doch ein Teil der christlichen Geschichte. Der 46-jährige Pfarrer, der vor neun Jahren nach Kreuzberg zog und das Amt übernahm, sieht das gelassen. „Mit solchen Situationen muss man rechnen, wenn man in einer Kreuzberger Kirche arbeitet.“

Ferda Ataman

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })