„Klartext“-Recherche zu Festnahme in Cottbus: Kopfschuss aus Polizeiwaffe übertrieben?
Cottbus - Die spektakuläre Festnahme eines 37-Jährigen vor eineinhalb Jahren in Cottbus, bei der dem Verdächtigen von einem Polizisten in den Kopf geschossen wurde, war offenbar unverhältnismäßig. Das ergeben Recherchen des RBB-Politmagazins „Klartext“, die am Mittwoch veröffentlicht wurden.
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Cottbus - Die spektakuläre Festnahme eines 37-Jährigen vor eineinhalb Jahren in Cottbus, bei der dem Verdächtigen von einem Polizisten in den Kopf geschossen wurde, war offenbar unverhältnismäßig. Das ergeben Recherchen des RBB-Politmagazins „Klartext“, die am Mittwoch veröffentlicht wurden. Der Mann war durch den Kopfschuss lebensgefährlich verletzt worden und liegt bis heute im Koma. Er soll ein mutmaßlicher Betrüger sein. Die Staatsanwaltschaft Cottbus, die den Auftrag für die Festnahme gegeben hatte, rechtfertigte den Einsatz weiterhin.
Nach „Klartext“-Recherchen ermittelte die Cottbuser Staatsanwaltschaft gegen den Mann aus Cottbus bereits seit 2009. Warum er nach so vielen Jahren gerade an diesem Tag festgenommen werden sollte, erschließt sich den neuen Recherchen zufolge nicht. Von der Staatsanwaltschaft wurde die Festnahme in einer Presseerklärung lediglich mit dem Auffinden eines Sturmgewehres bei dem Mann begründet.
„Damit suggerierte man der Öffentlichkeit, dass mein Sohn gefährlich war. Das stimmt aber gar nicht. Er ist doch jahrelang nicht abgehauen. Außerdem war er doch tagsüber bei der ersten von zwei Hausdurchsuchungen anwesend. Sie hätten ihn doch gleich verhaften können“, erklärte die Mutter des Festgenommen gegenüber „Klartext“. Sie äußerte sich damit erstmals in der Öffentlichkeit.
Verschwiegen hatte die Staatsanwaltschaft gegenüber der Presse laut „Klartext“ ebenso, dass es sich um eine unscharfe Deko-Waffe handelte. Schon beim Auffinden dieses Sturmgewehres bei der ersten Hausdurchsuchung und in Anwesenheit des Verdächtigen wurde das durch Beamte des LKA festgestellt. Offenbar war die Waffe sogar schon 2010 vom LKA untersucht und dem Mann zurückgegeben worden. „Da lag ja das Zertifikat dazu immer gleich dabei. Man hat der Öffentlichkeit also nur die halbe Wahrheit gesagt, um ihren ungeheuerlichen Einsatz zu rechtfertigen“, so die Mutter weiter.
Wie interne Unterlagen belegen, äußerte auch die Leiterin des Dezernates Wirtschaftskriminalität der Außenstelle des LKA in einem Telefonat mit der zuständigen Oberstaatsanwältin aus Cottbus ihre Zweifel über den Einsatz. „Klartext“ protokolliert: “Frau G. hielt die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft im vorliegenden Fall für übertrieben.“
Dieselbe Staatsanwaltschaft beantragte gegen den Polizisten, von dem der Schuss bei der Festnahme ausging, vor ein paar Wochen einen Strafbefehl mit neun Monaten Freiheitsstrafe auf zwei Jahre Bewährung. Das Cottbusser Gericht ist dem gefolgt, der Polizist hat den Strafbefehl angenommen. Somit gibt es keine öffentliche Hauptverhandlung. „Damit will die Staatsanwaltschaft den Einsatz gegen meinen Sohn klein kochen, um nicht eigene Fehler öffentlich eingestehen zu müssen“, klagt die Mutter des Opfers an.
PNN
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