Interview: „Kraniche sind die Ausnahme“
Der Nabu-Vogelexperte Lars Lachmann über Wärme, Fett und das Gezwitscher im Winter.
Stand:
Herr Lachmann, draußen ist ungewöhnlich oft Vogelgezwitscher zu hören. Liegt das am frühlingshaften Wetter?
Ja. Üblicherweise beginnen unsere heimischen Vögel Anfang Januar mit dem Singen. In diesem Winter sind sie schon seit Weihnachten aktiv und singen wegen des warmen Wetters kräftiger als sonst.
Welche Vögel sind am aktivsten?
Kohlmeisen und Blaumeisen. Diese suchen schon nach geeigneten Nisthöhlen. Aber auch Buntspechte trommeln und Grünspechte verfallen bereits ins Lachen, wie deren Gesang bezeichnet wird. Auch Kleiber, Kernbeißer und Grünling singen, ebenso die wenigen bei uns im Winter verbliebenen Stare.
Kommen schon Zugvögel zurück?
Nein, da kann der Januar noch so warm sein. Falls es aber Anfang Februar noch mild ist, könnten sich die ersten Zugvögel, die sonst bis Mitte März im Süden bleiben, auf den Weg zu uns machen.
Gibt es genügend Futter?
Grundsätzlich ist es für Vögel in Wintern ohne Schnee und Eis leichter, ausreichend Nahrung zu finden. Sie werden damit weniger von den Futterstellen in den Gärten angezogen und verteilen sich weiter über das Land.
Was fressen die Vögel denn jetzt?
Die Insektenfresser, die nicht nach Süden gezogen sind, müssen sich jetzt auf andere Nahrung umstellen. Meisen suchen Samen und Fett. Gern genommen werden auch Beeren und Früchte, die noch an Bäumen und Büschen hängen.
Sollten die Futterhäuschen vorerst nicht bestückt werden?
Die Vogelfütterung dient in erster Linie einer besseren Beobachtung. Daher kann im Winter durchaus auch unabhängig von der Witterung gefüttert werden.
Was passiert beim Kälteeinbruch?
Kälte allein wäre kein Problem. Nur Eis und Schnee machen die Nahrungssuche schwieriger. Manche Vögel ziehen dann einfach weiter nach Westen oder Süden, andere verziehen sich in die Städte.
Sind Kraniche auch schon zurück?
Weit über 1000 Kraniche sind gar nicht erst aus Deutschland weggezogen. Die Zahl der hier überwinternden Kraniche steigt seit Jahren. Echte Rückkehrer können wir frühestens Ende Januar erwarten.
Wie reagiert die Vogelwelt auf solche ungewöhnlichen Wetterperioden?
So ungewöhnlich ist es ja jetzt auch wieder nicht. Nur in den letzten drei Jahren hatten wir kältere Winter, davor war es genauso wie jetzt.
Sparen sich künftig die Zugvögel den Flug in wärmere Gefilde?
Bei Langstreckenziehern nach Afrika wird sich nichts ändern, sie kommen vielleicht nur früher bei uns an. Noch kann man nicht davon sprechen, dass viele Zugvögel bei uns überwintern. Die einzige Ausnahme bilden die Kraniche.
Die Fragen stellte Claus-Dieter Steyer
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