zum Hauptinhalt

Brandenburg: Mineralölindustrie stellt sich stur

Bioethanol gilt als fortschrittlicher Kraftstoffersatz – trotzdem verkauft das Werk in Schwedt nur wenig

Schwedt – Eigentlich könnte Klaus-Dieter Bettien zufrieden sein. Schließlich läuft die neue Anlage zur Produktion von Bioethanol auf dem Gelände des PCK-Schwedt seit drei Monaten wie am Schnürchen im Testbetrieb. Trotzdem hat Betriebsleiter Bettien Zukunftssorgen: „Mit unserer Anlage könnten wir eigentlich 180 000 Tonnen Bioethanol im Jahr produzieren, mit dem man herkömmliches Benzin ersetzen kann. Aber weil uns die Nachfrage von Seiten der Mineralölindustrie fehlt, nutzen wir gerade einmal 40 Prozent. Das ist natürlich für uns nicht rentabel“, bedauert der Chemieingenieur, der bei der Nordbrandenburger BioEnergie GmbH angestellt ist.

Stephen Dahle von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam hält Bioethanol mittelfristig für den „Kraftstoff der Zukunft“. Wie zahlreiche Experten, geht er davon aus, dass die Ölreserven spätestens bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zur Neige gehen. Deshalb müsse man herkömmliche Kraftstoffe nach und nach durch biologische oder künstliche Kraftstoffe ersetzten, so Dahle. Langfristig seien biologische Kraftstoffe zwar nur Übergangslösungen, weil die Automolindustrie bereits an rein künstlichen Kraftstoffen, genannt Sun-Diesel und Sun-Fuel, forsche. Doch bis zu deren Einführung sind Bioethanol oder auch Biodiesel die besten Alternativen, ist Dahle überzeugt.

Obwohl auch der ADAC und der Automobilclub bestätigen, dass sich Bioethanol gut als Kraftstoffbeimischung für Fahrzeuge mit Ottomotoren eigne, besteht von Seiten der Mineralölindustrie bislang kaum Interesse. Offiziell heißt die Begründung, man könne Bioethanol aus chemischen Gründen nicht beimischen: erstens weil ein Benzin-Ethanol-Gemisch bei hochsommerlichen Temperaturen ab 35 Grad zu viel umweltschädliches Gas freisetzen würde. Und zweitens weil Ethanol aufgrund seiner chemischen Eigenschaften auch Wassermoleküle aus der Luftfeuchtigkeit anziehe. Das sei problematisch, weil sich eine Ethanol-Wasser-Verbindung im Tank nur schlecht mit Benzin mische.

Jörg Kirst vom ADAC erklärt die Folgen: „Es könnte zu einer Schichtung im Tank kommen: Oben Benzin und unten Ethanol und Wasser. Da Kraftstoff in der Regel von unten angesaugt wird, käme nur das konzentrierte Ethanol-Wasser-Gemisch im Motor an und würde ihnüber kurz oder lang kaputt machen.“

Chemieingenieur Bettien hält diese Bedenken für vorgeschoben: „Das Problem mit der Gasverflüchtigung kann nur auftreten, wenn deutlich weniger als fünfProzent Ethanol im Benzin enthalten sind, was nicht der Fall ist.“ Und das zweite Problem könne man vermeiden, indem das Ethanol dem Benzin gleich bei uns in der Raffinerie beigemischt würde. Dann käme es nicht mit Luftfeuchtigkeit in Berührung und würde sich gut mit dem Benzin mischen, so Bettien.

Die ablehnende Haltung der Mineralölkonzerne erklärt er sich anders: „Zur Zeit gibt es am Markt eine verstärkte Nachfrage nach Diesel- und Biodiesel. Dadurch schwächelt der Benzinabsatz ohnehin. Wenn man nun zuließe, dass Benzin teilweise durch Ethanol ersetzt wird, würde man noch weniger Benzin verkaufen. Es sind also rein wirtschaftliche Gründe, keine chemischen.“

Der Anteil von alternativen Kraftstoffen soll laut einer EU-Verordnung bis zum Jahr 2010 auf 5,75 Prozent steigen. Bisher darf herkömmlichen Ottokraftstoffen bis zu fünf Prozent Bioethanol zugemischt werden. „Diese Beimischungen kommen der Umwelt zu Gute“, sagt Daniela Sauter, Geschäftsführerin der BioEnergie GmbH. Zur Herstellung von Bioethanol verbrenne man in Schwedt Roggen, erklärt sie. „Dabei wird jedoch nur so viel klimaschädliches CO2 an die Luft abgegeben, wie die Roggenpflanze vorher aus der Luft aufgenommen hatte“, argumentiert Sauter. Damit sei die Energiebilanz also neutral.

Ein weiterer Vorteil sei, sagt Sauter, dass Bioethanol in Deutschland bis mindestens 2009 Steuer befreit ist, also für den Verbraucher deutlich günstiger als Benzin: „Zur Zeit verkaufen wir den Liter Ethanol für 50 Cent.“ Viele Verbraucher wüssten darüber nicht Bescheid, weil sich die Mineralölindustrie stur stelle, so Sauter.

Zukünftig setzte die BioEnergieGmbH deshalb auf staatliche Unterstützung: „Wir brauchen eine gesetzliche Zwangsregelung für die Mineralölindustrie, damit sie sich sich der Beimischung von Ethanol nicht weiter verweigern kann“, fordert Sauter, denn sobald es die gesetzliche Zwangsregelung gebe, würde der Markt auch ein gesteigertes Interesse an Bioethanol zeigen. Für diesen Fall gebe es bereits Pläne für drei weitere Bioethanol-Anlagen in Brandenburg, sagt Stephen Dahle von der IHK Potsdam. Damit würde Brandenburg eine Produktionskapazität von 500 000 Tonnen jährlich erreichen. Bisher gibt es deutschlandweit nur drei Anlagen zur Produkton von Bioethanol– neben dem Werk in Schwedt noch eins in Zeitz und eins in Zörbig.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false