MORDDROHUNGEN: „Morgens gucke ich schon einmal unter das Auto“
Trotz mehrerer Morddrohungen will Heinrich Jüttner erneut Bürgermeister in Schöneiche werden
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Schöneiche - Einschüchtern lasssen will sich Heinrich Jüttner zwar nicht, spurlos aber sind die vergangenen anderthalb Jahre nicht an ihm vorbeigegangen: 13 anonyme Drohbriefe hat der parteilose Bürgermeister von Schöneiche (Oder-Spree) seit Juli 2010 erhalten. „Ich werde beleidigt, als Schwein und als Wessi beschimpft“, schildert Jüttner den Inhalt der Briefe, die in unregelmäßigen Abständen auf seinem Schreibtisch im Rathaus landen. Sogar Morddrohungen hat der 59-Jährige erhalten – nicht ohne Wirkung. „Es gibt Momente, das schaue ich morgens schon mal unter das Auto oder gucke abends, ob da noch jemand auf der Straße ist“, räumt er ein. Jüttner ist sich sicher, der oder die Täter wollen ihn aus dem Amt jagen. Dennoch: Wenn am Sonntag in Schöneiche ein neuer Bürgermeister gewählt wird, steht auch Jüttner wieder auf der Liste.
Den ersten Brief hat Jüttner zunächst ignoriert. „Ich dachte, was ist das Verrücktes, und hab ihn zur Seite gelegt. Dann aber habe ich mir überlegt, so etwas ist in einer Demokratie nicht in Ordnung und habe das Schreiben der Polizei übergeben“, berichtet Jüttner, der in Baden-Württemberg geboren wurde, aber lange in Berlin-Kreuzberg gelebt hat. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) mit dem Landeskriminalamt. Eine heiße Spur haben die Ermittler angeblich noch nicht. „Es gibt noch keinen Tatverdächtigen“, sagt Staatsanwaltschaftssprecher Michael Neff. Klar scheint aber, mit den Vorfällen in Schöneiche vor vier Jahren haben die Briefe nichts zu tun. Damals hatten Neonazis im Ort für Unruhe gesorgt, auf jüdischen Festen gepöbelt und einen Holocaust-Gedenkstein geschändet. Auch Jüttner, der gegen die rechte Szene mobil machte, wurde zum Ziel. Er wurde als „Volksfeind“ beschimpft und im Internet mit dem Tode bedroht.
Anders als vor vier Jahren wirken die aktuellen Drohungen geplanter, werden mit deutlich größerem Aufwand betrieben. Immerhin kommen sie auf dem regulären Postweg. Im vergangenen Jahr untermauerten der oder die Täter ihre Morddrohungen sogar mit einer Giftprobe. „Ich hab sie gleich der Polizei weitergegeben. Es hat sich um Pflanzengift gehandelt“, berichtet der Rathauschef. Sonst sei meist die Rede von „ersäufen, erhängen oder erschießen“. Richtig unwohl zumute ist Jüttner aber eigentlich erst seit vergangenem Dezember. Dort erreichten die Drohungen ein neues Niveau. Auch auf Angehörige werde künftig keine Rücksicht mehr genommen, hätten der oder die Täter geschrieben, so Jüttner. Trotzdem habe er nie daran gedacht, das Bürgermeisteramt hinzuschmeißen.
Vielleicht aber ist der Spuk aber auch vorbei. Seit zwei Monaten hat Jüttner nach eigenen Angaben keinen Drohbrief mehr bekommen. Am Sonntag wird zudem ohnehin gewählt. Insgesamt stellen sich sechs Kandidaten zur Wahl. SPD, Linke und Grüne schicken je einen Bewerber ins Rennen, zudem wollen es auch zwei Einzelkandidaten mit Jüttner aufnehmen. Der aber ist so etwas wie der Platzhirsch in Schöneiche. Seit nunmehr 16 Jahren steht er an der Rathausspitze, wurde zuletzt 2004 wieder gewählt. Selbst die Konkurrenz lobt seine Fähigkeiten und räumt ihm erneut gute Chancen ein. „Jüttners fachliche Kompetenz ist unumstritten, das Problem ist, er setzt seine Politik durch. Vorschläge, die ihm nicht gefallen, werden torpediert“, meint etwa der CDU-Ortsvorsitzende Andreas Bachhoffer. Auch Helga Düring, Fraktionschefin der SPD im Stadtparlament, sagt: „Das Problem mit Herrn Jüttner ist, er ist 100 Prozent gesetzestreu, lässt sich am Stammtisch nichts einreden und ist geradlinig. Manche Leute mögen das einfach nicht.“
Vielleicht meinen Bachhoffer und Düring, was eine Einwohnerin von Schöneiche im Internet so formuliert: „Die Ignoranz, mit der Sie jedes Gespräch, jeden Vorschlag und jede Kritik im Keim ersticken, erzeugt Ohnmacht und das ist der Grund, dass die Menschen sich zurückziehen“, schreibt die Frau, die nach eigenen Angaben seit 40 Jahren im Ort lebt. Jüttner findet solche Kritik absurd. „Das Verrückte ist, als ich Bürgermeister wurde, gab es Vorwürfe gegen meine Vorgängerin, sie habe keine Führungsqualitäten. Ich bin einfach nur nicht korrupt und halte mich an Recht und Gesetzt“, verteidigt sich der amtierende Rathauschef.
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