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Brandenburg: Ostdeutsche Spitze

Medizin, Eisenbahnen, Folien – der Kreis Oberhavel ist der Wirtschaftsprimus in den neuen Ländern

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München/Potsdam - Die beiden brandenburgischen Landkreise Oberhavel und Teltow-Fläming verfügen über die höchste Wirtschaftskraft in ganz Ostdeutschland. Potsdam-Mittelmark folgt an vierter Stelle. Dagegen gehört die Stadt Cottbus zu den wirtschaftlich schwächsten Kommunen in ganz Deutschland. Das geht aus dem aktuellen Landkreis-Ranking des Wirtschaftsmagazins Focus-Money hervor, das am gestrigen Donnerstag vorgestellt wurde.

Insgesamt verglichen die Focus-Redakteure die wirtschaftliche Lage von 388 der bundesweit 402 kreisfreien Städte und Landkreise. Gesamtsieger ist die Audi-Stadt Ingolstadt in Bayern, gefolgt von Heilbronn in Baden-Württemberg und der bayerischen Landeshauptstadt München. Der Landkreis Oberhavel landet demnach im Bundesvergleich auf Platz 121, Teltow-Fläming auf Platz 158 und Potsdam-Mittelmark auf Rang 176. Berlin rutschte gegenüber dem vorigen Ranking aus dem Jahr 2011 von Rang 89 auf Rang 233 ab, ist im Osten aber an sechster Stelle. Potsdam und Frankfurt (Oder) wurden nicht bewertet, weil die Angaben nicht vollständig waren. Einen Anhaltspunkt gibt es aber: Potsdams Dauerkonkurrent Jena bei oberen Spitzenplatzierungen in Wirtschafts- und Wachstumsstudien landete jetzt im Focus-Ranking auf Platz 3 im Osten, bundesweit auf Rand 167.

Für die Platzierung entscheidend waren die Bewertungen von insgesamt sieben Einzelfaktoren: die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt, das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen, das verfügbare Einkommen privater Haushalte je Einwohner, die Veränderung der Erwerbstätigenzahl und die Investitionen im verarbeitenden Gewerbe je Beschäftigten. Die Daten stammen laut Focus-Money aus den Jahren 2011 und 2012.

Besonders auffällig am Ranking ist die hohe Dominanz Süddeutschlands. Die ersten insgesamt 33 Plätze machen die beiden Bundesländer Bayern und Baden-Würrtemberg völlig unter sich alleine aus. Dagegen ist der Schluss der Tabelle fast ausschließlich eine ostdeutsche Angelegenheit. Lediglich die Stadt Herne in Nordrhein-Westfalen mischt sich unter die schwächsten zehn und landet damit wie Cottbus auf Rang 384. Die Uckermark schafft es immerhin auf Platz 370 und die Prignitz sogar auf Rang 362. Ganz unten im Keller steht der Landkreis Vorpommern-Greifswald, gefolgt von Vorpommern-Rügen und dem Kreis Mecklenburgische Seenplatte.

Wie schon beim jüngsten Städteranking des Wirtschaftsmagazins Wirtschaftswoche, des Immobilien-Onlineportals Immobilienscout 24 und des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) aus dem vergangenen Dezember zeigt sich auch beim Focus-Money-Vergleich die Bedeutung der Autoindustrie für die Wirtschaftskraft. Neben Ingolstadt landen auch München (BMW) und Stuttgart (Mercedes) unter den besten 30. Wolfsburg (VW) wurde wie Potsdam nicht berücksichtigt.

Der Landkreis Oberhavel ist zwar nicht für die Fertigung von Luxus-Limousinen bekannt, ist aber trotzdem ein wichtiger Standort der Fahrzeugindustrie, vor allem bei den Schienenfahrzeugen. In Velten etwa lässt der Schweizer Straßenbahn- und Regionalbahnhersteller Stadler Rail einzelne Komponenten fertigen und nimmt seine Schienenfahrzeuge in Betrieb. In Hennigsdorf dagegen baut der kanadische Bombardier-Konzern Hochgeschwindigkeits-, Nahverkehrs- und Regionalzüge, Wagen, U-Bahnen sowie Straßen- und Stadtbahnen. Hennigsdorf ist mit mehr als 2200 Mitarbeitern der größte Produktionsstandort des Konzerns in Europa. Bei Stadler sind es knapp 1300 Mitarbeiter. Außerdem sind in Oranienburg mit dem Folienhersteller Orafol, der sich vom Volkseigenen Betrieb Spezialfarben Oranienburg zum Weltmarktführer im Bereich Klebefolien entwickelt hat, und dem Pharma-Unternehmen Takeda, früher Nycomed, weitere bedeutende Firmen ansässig.

Focus-Money zufolge wurden im Jahr 2011 im Landkreis pro Beschäftigten 10 257 Euro im verarbeitenden Gewerbe investiert. In Cottbus waren es im Vergleich nur 2844 Euro.

„Wir freuen uns über das Ergebnis“, kommentierte Oberhavels Vize-Landrat Egmont Hamelow (CDU) am Donnerstag das sehr gute Abschneiden des Kreises. Mit so einem Prädikat als bester ostdeutscher Landkreis könne man gut um neue Investoren werben. Ansiedlungswillige Unternehmen profitierten insbesondere im Süden von der sehr guten Infrastruktur und Anbindung nach Berlin und in den Norden. „Man darf solche Rankings aber nicht überbewerten. Sie sind nur eine Momentaufnahme und können von Jahr zu Jahr stark schwanken“, relativierte Hamelow. „Dieses Abschneiden überrascht Außenstehende vielleicht. Aber die Region um Oranienburg, Hennigsdorf und Velten hat schon lange ihr Aschenputtel-Image abgestreift“, sagte Oranienburgs Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke (SPD). „Bei uns hat der Mittelstand Zug um Zug einen großen Satz gemacht.“ Oberhavel sei lange Zeit unterschätzt worden.

Der Landkreis Teltow-Fläming dagegen gilt schon seit Längerem als einer der wirtschaftlich erfolgreichsten Kreise im Land Brandenburg. Unter anderem haben dort Rolls Royce, Mercedes-Benz, Volkswagen und der Triebwerkhersteller MTU Aero Engines große Niederlassungen.

Das brandenburgische Wirtschaftsministerium zeigte sich erfreut über das gute Abschneiden von Oberhavel und Teltow-Fläming. Allerdings sei der Angleichungsprozess zwischen Ost und West nach 23 Jahren immer noch im Gang, erklärte Ministeriumssprecher Steffen Streu. Nach wie vor sei die Wirtschaftsstruktur hier eher kleinteilig und nicht von vielen Großbetrieben geprägt.

Matthias Matern (mit dpa)

Matthias Matern (mit dpa)

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