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Auf nackten Brüsten lassen sich politische Botschaften besonders gut transportieren. Manchmal so gut, dass daraus eine handfeste Parteikrise entwächst.

© dpa

Der "Bomber-Harris"-Streit: Piraten-Streit um Protest gegen Neonazis

Mit einer antifaschistischen Aktion hat die Neuköllner Piraten-Kandidatin Anne Helm ihre Partei vor eine Zerreißprobe gestellt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

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Berlin - „Ja, das war ich.“ Zehn Tage hat es gedauert, bis sich die Neuköllner Piratin Anne Helm zu einer Aktion bekannte, die ihre Partei bundesweit fast zerreißt. Gemeinsam mit Deborah Andersen, der Sprecherin der Femen-Bewegung in Berlin, hatte sich die Kandidatin für die Europawahl in Dresden vermummt, aber mit nackten, bemalten Brüsten gezeigt: „Thanks Bomber Harris“. Eine Hommage an den britischen Luftbefehlshaber, der für die Bombardierung der sächsischen Landeshauptstadt kurz vor dem Ende des zweiten Weltkriegs mitverantwortlich war.

Zuerst dementierte Helm, die seit Herbst 2011 in der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln sitzt, die barbusige Provokation, dann schwieg sie ein paar Tage und jetzt ist es raus. „Natürlich wollte ich damit Nazis provozieren und keine Opfer (des Luftangriffs) verhöhnen“, verriet sie dem linken Wochenblättchen „Jungle World“ und bestätigte am Montag per Twitter, dass das Interview nicht gefälscht sei. „Ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen, es war dumm.“

Ein Parteiaustritt, den ihr manche Piraten nahelegen, kommt für Helm aber „auf keinen Fall“ infrage. Und noch steht sie auf der Europawahl-Liste ihrer Partei auf dem aussichtsreichen Platz 5. Dafür verlassen viele andere Mitglieder, auch ein Landesvorsitzender und ehemalige Bundesvorstände, das lecke Schiff. Fünf Landesverbände der Piraten kritisierten inzwischen öffentlich die 27-jährige Berliner Parteifreundin, die als Synchronsprecherin für Filme und TV-Serien ihr Geld verdient. Gefrustete Mitglieder fordern sogar die Einberufung eines außerordentlichen Bundesparteitags.

Zwar distanzierte sich der Bundesvorstand der Piraten von der Aktion in Dresden. „Wir heißen es nicht gut.“ Gleichzeitig beklagte die Parteispitze „massive Anfeindungen“ der rechten Szene gegen Helm „und sprechen ihr hierzu unsere Solidarität aus“. Dagegen stellte sich der Berliner Landesverband „mit aller Geschlossenheit hinter unsere Mandatsträgerin“ und warf den Christdemokraten vor, eine „Hetzjagd durch Neonazis“ gegen Helm angezettelt zu haben. „Eine unheilige Allianz aus Nazis, ungebildeten Piraten und der Neuköllner CDU“, twitterte der Piraten-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Oliver Höfinghoff. Mal sehen, was die Mitgliederversammlung der Berliner Piraten zu alledem sagt, die am Wochenende den Vorstand neu wählt. Noch sind etwa 400 Mitglieder stimmberechtigt.

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