Brandenburg: Rechnungshof: Berlins Straßen verfallen Seit 1999 wird zu wenig investiert. Bezirksämter schätzen Sanierungsstau auf 1,3 Milliarden Euro
Berlin - Berlins Straßen sind in besorgniserregendem Zustand. Die Bezirksämter schätzen den Sanierungsstau inzwischen auf 1,3 Milliarden Euro.
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Berlin - Berlins Straßen sind in besorgniserregendem Zustand. Die Bezirksämter schätzen den Sanierungsstau inzwischen auf 1,3 Milliarden Euro. „Wenn die Senatsverwaltung nicht umgehend handelt, werden die Mobilität und die wirtschaftliche Entwicklung Berlins durch eine zunehmend unzureichende Infrastruktur gefährdet“, kritisiert der Landesrechnungshof im neuen Jahresbericht.
Seit 1999 warnen die Rechnungsprüfer den Senat regelmäßig, dass ein „an die Substanz gehender“ Verfall der öffentlichen Straßen drohe. Ohne sichtbaren Erfolg. Für die Unterhaltung des 5177 Kilometer langen Straßennetzes sind die Bezirke als ausführende Organe zuständig, aber die Steuerung und Finanzierung liegt in der Verantwortung der Stadtentwicklungsbehörde des Senats.
Um die Straßen Berlins intakt zu halten, hätten seit der Wende jedes Jahr 70 bis 90 Millionen Euro investiert werden müssen. Das haben Senat und Rechnungshof unabhängig voneinander berechnet. Die tatsächlichen Ausgaben lagen seit 1993 meistens unter 40 Millionen Euro jährlich, nur in Ausnahmefällen bei 50 bis 60 Millionen. Zwar gab es Sonderprogramme, etwa nach harten Wintern. Aber die Bezirke sahen sich oft nicht in der Lage, die Gelder zügig in die Reparatur kaputter Straßen zu investieren. Die größte Verantwortung für den Sanierungsstau weist der Rechnungshof der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zu, die seit der ersten Warnung des Rechnungshofs 1999 von den Sozialdemokraten Peter Strieder, Ingeborg Junge-Reyer und Michael Müller geführt wurde. Jetzt ist SPD-Mann Andreas Geisel zuständig.
Die Finanzkontrolleure des Landes Berlin vermissen ein „systematisches und effizientes Erhaltungsmanagement“. Nötig seien detaillierte Rechtsvorschriften und eine aktuelle elektronische Datenbank. Für die Hauptstadt gebe es bisher kein einheitliches Straßenverzeichnis und der Zustand der Verkehrswege werde weder messtechnisch noch visuell erfasst. Erst wenn dies geschehen sei, könne der Zustand der Straßen bewertet und eine Erhaltungsstrategie entwickelt werden, mit Prioritätenlisten und Bauplänen.
Stattdessen beschränken sich Senat und Bezirke bislang auf Straßenbegehungen und „Kenntnisse des Fachpersonals“, ergänzt durch Bürgerbeschwerden und politische Vorgaben. Elf der zwölf Bezirksämter haben keine Prioritätenliste für dringende Sanierungen. Befragt vom Rechnungshof, schätzten alle Bezirke den Straßenzustand als „extrem kritisch“ ein. Dies führte teilweise schon zu Tempobeschränkungen oder Teilsperrungen.
Auf den Rechnungshofbericht reagierte die Stadtentwicklungsbehörde mit der Ankündigung, dass „nunmehr schrittweise ein Erhaltungsmanagement aufgebaut“ werde. Grüne, Linke und Piraten forderten den Senat auf, dauerhaft mehr Geld in die öffentliche Infrastruktur zu investieren, ein einmaliges Sonderprogramm vor der Wahl 2016 reiche nicht.
Bislang hatte der ADAC den Investitionsstau auf Berlins Straßen deutlich niedriger beziffert als der Landesrechnungshof. Während die Prüfer nun auf 1,3 Milliarden Euro kommen, sprach der ADAC stets von 500 Millionen Euro – eine Summe, die oft als übertrieben bezeichnet worden war. Als entsetzlich beschreibt der ADAC-Experte Jörg Becker den Zustand zahlreicher Straßen. Um den Investitionsstau abzubauen, müsste das Land jährlich rund 150 Millionen Euro ausgeben, schätzt Becker. Die Berliner Feuerwehr spricht von Problemen für Rettungsfahrzeuge, die Verkehrsbetriebe mussten schon Linien ändern. Der Unternehmensverband Berlin-Brandenburg bezeichnete den Straßenzustand als Gefahr für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts. Ulrich Zawatka-Gerlach
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