RECHNUNGSHOF-KRISE Nach dem Wechsel von der Aues als Justizsenatorin nach Berlin: Rechnungshof: CDU will jetzt eigenes Gutachten
Kritik am „Allparteien-Deal“ zur Neubesetzung der Behördenspitze wächst/SPD hält trotzdem an umstrittener Kandidatin Stark fest
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Potsdam – Die CDU will jetzt ein eigenes Rechtsgutachten über das heftig umstrittene Verfahren zur Neubesetzung der Rechnungshofspitze in Auftrag geben. Das hat gestern überraschend der Fraktionsvorstand beschlossen. Wie Fraktionschef Thomas Lunacek den PNN sagte, müsse der zurzeit führungslose Rechnungshof schnell wieder voll arbeitsfähig werden. „Vorher muss allerdings Klarheit bestehen, ob der eingeschlagene Weg rechtssicher ist.“ Lunacek sagte weiter, der Schaden wäre nicht wieder gut zu machen, wenn Richter aufgrund von Konkurrentenklagen zu dem Urteil kommen würden, dass es sich um ein rechtswidriges Besetzungsverfahren handele und alles wieder von vorn beginnen müsse. Der Ruf des Rechnungshofes habe durch das Betrugsverfahren gegen den suspendierten Vize-Präsidenten Arnulf Hülsmann ohnehin gelitten. „Wir können uns keine Fehler leisten“, sagte Lunacek. Er räumte ein, dass in der CDU „erhebliche Zweifel bestehen, ob der eingeschlagene Weg wirklich rechtssicher ist“.
Die Union reagierte damit auf die zunehmende öffentliche Kritik an dem Verfahren zur Neubesetzung der Rechnungshofspitze. Gestern hatte die Junge Union Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) aufgefordert, die SPD-Landtagsabgeordnete Britta Stark als Kandidatin für das Präsidenten-Amt zurückzuziehen, weil sie „nicht ausreichend qualifiziert“ sei. Lunacek bestätigte, dass es in der CDU Zweifel an der Kompetenz von Stark gebe. Die Abgeordnete, von Beruf technische Zeichnerin, ist weder Juristin noch Finanzexpertin. Sie gilt in der SPD allerdings als zuverlässige Genossin der ersten Stunde. Dies könne aber kein Kriterium für ihre Wahl zur Rechnungshof-Präsidentin sein, heißt es nicht nur in der CDU.
Scharfe Kritik kam gestern auch von der FDP und den Grünen, die das nach ihrer Ansicht „politisch motivierte Besetzungsverfahren“ als rechtswidrig bezeichneten. Die rechtsextreme DVU erwägt nach eigenen Angaben, die Pläne „auf juristischem Wege zu stoppen“. Außerdem wollen mehrere von insgesamt zwölf Bewerbern für das Präsidentenamt nach PNN-Recherchen so genannte Konkurrentenklagen anstrengen, falls Stark zur neuen Rechnungshof-Präsidentin gewählt werden sollte.
Für Wirbel hat vor allem ein interner Deal von SPD, CDU und PDS in der letzten Woche über das weitere Verfahren gesorgt: Danach sollen Frau Stark zur Präsidentin und ihre PDS-Kollegin Kerstin Osten zur Direktorin des Rechnungshofs gewählt werden. Auf CDU-Ticket sollte nach der Absprache zugleich ein weiterer Direktor mit Befähigung zum Richteramt gewählt werden, um dem Rechnungshofgesetz zumindest ansatzweise zu genügen. Es sieht vor, dass ein Drittel der Mitglieder des Rechnungshofes, darunter Präsident oder Vizepräsident, Juristen mit Befähigung zum Richteramt sein sollen. Derzeit ist der Rechnungshof nicht nur führungslos, weil die bisherige Präsidentin von der Aue als Justizsenatorin nach Berlin gewechselt und Vizepräsident Hülsmann vom Dienst suspendiert ist. Er erfüllt auch nicht den Anspruch des Rechnungshofgesetzes: Von den drei verbliebenen Direktoren, von denen zwei demnächst in den Ruhestand gehen, hat keiner die Richterbefähigung.
Während die CDU gestern auf Distanz zu dem Allparteien-Deal ging, stellte sich der Vorstand der SPD-Fraktion hinter die Kandidatin Stark: Er argumentiert, dass die Vorgabe im Rechnungshofgesetz eine „Kann-Bestimmung“ sei. Ursprünglich habe es dort geheißen, dass ein Drittel der Mitglieder eine Befähigung zum Richteramt haben „muss“. Das Wort „muss“ sei Ende der neunziger Jahre in „sollen“ geändert worden, weil „ostdeutsche Kandidaten diese Befähigung kaum haben können und nicht benachteiligt werden sollen“, so SPD-Fraktionssprecher Florian Engels gestern.
Dennoch sehen nicht nur CDU-Politiker, sondern auch Juristen das laufende Besetzungsverfahren aus verschiedenen Gründen als „rechtlich fragwürdig“ an: „Man hat sich quasi schon für Stark und Osten entschieden, obwohl die übrigen Bewerber noch gar nicht angehört worden sind“, sagte ein Christdemokrat den PNN. Deshalb seien die gesetzlich vorgeschriebenen Anhörungen der Bewerber im Haushaltskontrollausschuss ebenso wie die Wahlen im Landtag „im Grunde nur noch ein formaler Akt“. Auch Juristen halten das für anfechtbar, zumal das Verwaltungsgericht Potsdam bereits festgestellt hat, dass auch bei der Besetzung von Spitzenpositionen im Landesrechnungshof das im Grundgesetz geregelte „Prinzip der Bestenauslese“ gelten müsse, weil diese keine politischen Amtsträger seien. Mit anderen Worten heißt das: Ein maßgeblich politisch motiviertes Stellenbesetzungsverfahren ist nicht statthaft.
Hinzu kommen andere Ungereimtheiten: So hat Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) sowohl von der von ihm zunächst favorisierten Ausschreibung der Rechnungshof-Stellen wie auch von einem im Januar von ihm angekündigten eigenen Rechtsgutachten zum umstrittenen Besetzungsverfahren aus unerfindlichen Gründen Abstand genommen.
Michael Mara
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