POTSDAM DREWITZ: Sanieren, aber nicht verdrängen
Gartenstadt klingt deutlich besser als Satellitenstadt. Und nirgendwo haben sich hierzulande die Lebensumstände und auch das -umfeld so stark in den vergangenen Jahrzehnten verändert wie in den ostdeutschen Bundesländern.
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Gartenstadt klingt deutlich besser als Satellitenstadt. Und nirgendwo haben sich hierzulande die Lebensumstände und auch das -umfeld so stark in den vergangenen Jahrzehnten verändert wie in den ostdeutschen Bundesländern.
In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre entstanden in Potsdam Drewitz ein paar Tausend Wohnungen zu beiden Seiten einer monströsen Straße. Die Konrad-Wolf-Allee, rund 60 Meter breit und so lang wie sechs Fußballfelder, trennte die Wohngebiete. Ursprünglich sollte der neue Stadtteil Drewitz verlängert werden bis zum Kirchsteigfeld, entsprechend großzügig fiel die mehrspurige Straße aus, die dann aber zunehmend als Durchgangsstraße Verkehr anzog. Das Erscheinungsbild und die Struktur des neuen Bezirks entwickelten sich so wie in allen Satellitenstädten: Im hässlichen, lauten und dreckigen Kiez leben in den preisgünstigen Plattenbauten viel Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, häufig Migranten.
Die Vision zur Veränderung hieß „Gartenstadt Drewitz“. Und sie wurde tatsächlich in den vergangenen sechs, sieben Jahren Realität. Die Straße ist entsiegelt worden und in der Mitte entstand für 2,8 Millionen Euro ein 450 Meter langer Park. Für Autos gibt es nur noch eine schmale Spur und wenige Parkplätze. Das war heftig umstritten, als sich die kommunale Pro Potsdam GmbH, der in der Landeshauptstadt insgesamt 17 000 Wohnungen gehören, an die Neugestaltung der Kleinstadt machte. Mit frühzeitiger und ständiger Beteiligung der Bewohner wurde das Konzept entwickelt und umgesetzt. Der Konrad-Wolf-Park steht buchstäblich im Mittelpunkt, doch der meiste Aufwand steckt in den Wohnungen.
Der Großteil der rund 300 Millionen Euro, die das „integrierte Stadtentwicklungskonzept“ für Drewitz kostet, fließt in die energetische Sanierung der Gebäude. Mit knapp fünf Millionen Euro ist die KfW dabei. Allein die Pro Potsdam besitzt in Drewitz 1600 Wohnungen, die nach und nach modernisiert werden. Das hat Folgen für die Bewohner, die Miete steigt von vier auf 5,50 Euro. Von einer „sozialverträglichen Miete“ spricht Bürgermeister Burkhard Exner. „Wir wollen sanieren, ohne die Menschen zu verdrängen“, sagt Projektleiter Carsten Hagenau.
Die Sanierung der Gebäude kostet Geld und sie bringt den Mietern auch Geld, denn der Energieverbrauch der Wohnungen reduzierte sich um bis zu 40 Prozent. Und klimapolitisch ambitioniert ist das Ganze sowieso: Drewitz soll spätestens 2050 CO2-neutral sein, indem erneuerbaren Energien aus dem Umland die Fernwärme liefern.
Drewitz ist ein armer Stadtteil. Das Haushaltseinkommen liegt bei rund der Hälfte der Bewohner unter 1500 Euro; der Anteil der Alleinerziehenden beträgt 50 Prozent, und von den 380 Kindern in der Grundschule bekommen 212 einen Zuschuss zum Mittagessen. Anders gesagt: 80 Prozent der Schulkinder wachsen in einem Hartz- IV-Haushalt auf.
Elvira Eichelbaum ist die Leiterin der Grundschule, die in dem demselben Gebäude untergebracht ist wie das Begegnungszentrum „Oskar“. Das ist gewollt, denn mithilfe von Oskar bekommt man auch die Eltern in die Schule – zu Vorträgen, Kursen oder Musikveranstaltungen. „Familie ist wichtiger als Schule“, sagt Eichelbaum, gemeinsam mit Oskar schaffe man „Angebote der Lebensfreude“ für die Kleinen und die Großen. Was gar nicht einfach sei, denn „viele Eltern haben Angst vor der Gemeinschaft“. Doch es funktioniert, inzwischen gab es mehr als 1000 Veranstaltungen in dem Gebäude, an dessen Erweiterung sich auch die KfW beteiligt hat. Und die Gartenstadt insgesamt ist inzwischen ein Vorzeigeobjekt geworden, Projektleiter Hagenau macht regelmäßig den Kiezführer: „Alle 14 Tage kommen Gäste aus der ganzen Welt, die sich das hier anschauen.“ alf
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