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Brandenburg: Schön renovierter Osten

Moritz von Uslar hat in seiner Langzeitreportage das Leben in der öden Brandenburger Provinz beschrieben. Nun wurde es verfilmt und kommt als Dokumentation in die Kinos

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Ein Ausflug nach Brandenburg: Bald 25 Jahre nach dem Mauerfall ist das keine Mutprobe mehr. Das platte Land rund um Berlin ist nicht nur für gestresste Hauptstädter ein beliebtes Ausflugsziel. Wer blühende Landschaften und gut sanierte Straßen sucht – hier gibt es sie, dank der Milliarden aus dem Solidarpakt. Aber in dieser dünn besiedelten Gegend bleiben, auf Dauer?

Pop-Autor Moritz von Uslar hat genau das gewagt: Für seine Langzeitreportage „Deutschboden“ trieb sich der 43-Jährige ein Vierteljahr in der märkischen Provinz herum. Nun kommt die Verfilmung seines preisgekrönten Buches über das Leben in einer Ost-Kleinstadt an der Havel in die deutschen Kinos. „Es ist eine Dokumentation, aber sie wirkt wie ein Spielfilm“, sagt von Uslar über das Werk, in dem er sich selbst spielt und aus dem Off Passagen aus seinem Buch vorliest.

Drei Monate recherchierte der Gesellschaftsjournalist und „Großstadtmensch“ in Zehdenick (im Buch fiktiv Oberhavel genannt) „über des Prolls reine Seele, über Hartz IV, Nazirock, Deutschlands beste Biersorten und die Wurzel der Gegenwart“. Heraus kam 2010 „eines der besten Bücher über Deutschland nach der Wiedervereinigung“, wie Kritiker befanden. 2011 erhielt von Uslar den Fontane-Preis für Literatur der Stadt Neuruppin, eine etwas größere Kleinstadt in der Mark Brandenburg. Manche Zehdenicker fanden die Recherchen des Reporters aus Berlin dagegen ziemlich nervig.

Die Havel-Kleinstadt ist eine knappe Autostunde von Berlin entfernt und liegt damit außerhalb des sogenannten Speckgürtels um Berlin, wo das Gemeinwesen floriert und die Grundstückspreise in die Höhe schießen. Orte wie Zehdenick mit seinen 14 000 Einwohnern dagegen gehören zur Peripherie, zum „Wilden Osten“, wie es von Uslar nennt. „Ich bekam ein Provinz-Grusel-Frieren“, erzählt er beim Besuch einer öden Plattenbausiedlung, „Tundra-Gefühle“ überkamen ihn: „War das hier noch Deutschland oder schon der Kosovo?“, fragt der Pop-Autor, der selbst gerne im Promi-Restaurant Grill Royal in der Berliner Friedrichstraße einkehrt.

Doch der Reporter geht unvoreingenommen an seine Untersuchung heran. Nachdem er sich in Oberhavel in einer Pension einquartiert hat, versucht er sich im Ort einzuleben. Er nimmt sich Zeit für die Menschen, hört ihnen viel länger zu, als es Journalisten gemeinhin tun. Mal beim Zechen mit den Einheimischen in der Gaststätte Schröder bis tief in die Nacht, mal beim Besuch im Proberaum der Punkband 5 Teeth Less (Fünf Zähne weniger), mal beim Grillfest mit wehender Deutschlandfahne. Einzigartig sind auch die Saufabende an der Tankstelle mit der Dorfjugend.

Mit den Jungs von 5 Teeth Less verbindet von Uslar bis heute eine gute Freundschaft. Auch in die Gaststätte Schröder geht der Schriftsteller noch regelmäßig sein Bier trinken oder besucht Kumpel Blocky, der so gerne mit dem Trabi Cabrio fährt.

„Jeder Besuch fühlt sich an wie ein Nachhausekommen“, sagt von Uslar. Sein Erlebnisbericht aus der Provinz ist sicherlich keine Romantisierung, aber auch keine Schwarzmalerei. Es ist eine Beschreibung von Deutschland, wie es sich überall außerhalb der Großstädte zeigt, nicht nur im Osten.

„Im Westen muss man einfach mal verstehen, wie renoviert und schön Brandenburg ist“, sagt der gebürtige Kölner. „Dagegen schmiert Nordrhein-Westfalen völlig ab“, meint von Uslar und erinnert etwa an die kaputten Straßen und maroden Gebäude etwa im Ruhrgebiet: „Nordrhein-Westfalen ist der neue Osten.“

„Deutschboden“ hat am 25.3. in Köln Premiere. Am 27.3. startet der Film bundesweit in den Kinos.

Moritz von Uslar: Deutschboden. Eine teilnehmende Beobachtung. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, 384 Seiten, ISBN 978- 3462042566

nbsp;Haiko Prengel

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