Urteil: „Sie warf ihr Baby weg wie Müll“
Viereinhalb Jahre Haft für Berliner Mutter.
Stand:
Berlin - Die Mutter nahm das Urteil so regungslos, wie sie den gesamten Prozess verfolgt hatte. Viereinhalb Jahre Gefängnis verhängte das Landgericht gegen Ines T., die ihr fünftes Kind gleich nach der heimlichen Geburt umbrachte. „Sie warf ihr Baby wie Müll aus dem Fenster“, beschrieb Richter Matthias Schertz die Tat. Aus dem fünften Stock hatte sie den Jungen geworfen. Das Motiv sei unklar geblieben. Im Schuldspruch wegen Totschlags ging das Gericht von einer verminderten Steuerungsfähigkeit aufgrund der Stresssituation bei der Geburt aus.
„Sie hatte durchaus Möglichkeiten, anders zu handeln“, sagte Schertz. Ines T. – eine zierliche Frau von 41 Jahren – hat zwei 18 und 16 Jahre alte Töchter. Nach ungewollten Schwangerschaften gab sie in den letzten drei Jahren zwei Söhne gleich nach der Geburt zur Adoption frei. „Sie ist nicht die junge, unerfahrene Mutter“, hieß es. Doch als sie die erneute Schwangerschaft bemerkte, habe bei Ines T. eine Verdrängung eingesetzt.
Am Vormittag des 19. November 2011 platzte die Fruchtblase. Ines T. war nicht allein in der Charlottenburger Wohnung, gelegen am S-Bahnhof Westend. Ihr 44-jähriger Mann, der als Gewalttäter vorbestraft ist, und ihre jüngste Tochter waren da. Ines T. hätte die Wohnung verlassen und in einer Klinik entbinden können. Sie sagte später, sie habe nicht gewusst, wie sie das ihrem Mann hätte erklären sollen, hatte Angst, „dass er Stress machen würde“. Der 44-Jährige wollte keine Kinder. Das Kind stopfte sie sofort in eine blaue Mülltüte, reinigte akribisch das Bad und warf die Tüte dann einfach in die Tiefe. Im betonierten Innenhof machte ein Nachbar am Morgen den grausigen Fund.
„Die Tat war völlig irrational und planlos“, hieß es im Urteil. Schnell wurde Ines T. aus dem fünften Stock als Täterin abgeführt. Die Spuren waren eindeutig. Die graue Frau, die zuletzt am Fließband arbeitete, gab die Tötung zu. Im Prozess duckte sich die wortkarge Ines T., als ihre Anwältin für sie verlas: „Ich verstehe mich selbst nicht mehr, ich hätte mir eine derart schlimme Tat nicht zugetraut.“
Wenn Mütter gleich nach der Geburt ihr Kind töten, gelten diese Fälle vor Gericht als ein sehr spezieller Tatbestand. Auch bei Ines T. wurde berücksichtigt, dass sie sich aufgrund der Geburt in einem psychischen Ausnahmezustand befunden habe. Es liege – juristisch betrachtet – ein minderschwerer Fall vor. Kerstin Gehrke
Kerstin Gehrke
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