Von Klaus Kurpjuweit: Staatsanwalt ermittelt gegen S-Bahn Anzeigen wegen des Verdachts auf einen gefährlichen Eingriff in den Verkehr / Zugausfälle weiten sich aus
Berlin - Bei der Berliner S-Bahn hat am Dienstag das Chaos zugenommen – und jetzt ermittelt auch die Staatsanwaltschaft. Gegen die inzwischen abgelöste Geschäftsleitung seien rund ein Dutzend Anzeigen wegen des Verdachts auf einen gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr erstattet worden, sagte ein Berliner Justizsprecher.
Stand:
Berlin - Bei der Berliner S-Bahn hat am Dienstag das Chaos zugenommen – und jetzt ermittelt auch die Staatsanwaltschaft. Gegen die inzwischen abgelöste Geschäftsleitung seien rund ein Dutzend Anzeigen wegen des Verdachts auf einen gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr erstattet worden, sagte ein Berliner Justizsprecher. Nach dem Bruch eines Rades während einer Fahrt am 1. Mai, was einen Zug entgleisen ließ, hatte die damalige Geschäftsführung der Aufsichtsbehörde zugesichert, die Räder dieser Bauart alle sieben Tage in den Werkstätten kontrollieren zu lassen. Weil die Berliner S-Bahn sich aber nicht daran gehalten hatte, ließ das Eisenbahn-Bundesamt am vorigen Montag rund 400 Wagen dieser Bauart über Nacht aus dem Verkehr ziehen. Seither herrscht Chaos im S-Bahn-Verkehr – auch auf den Linien nach Potsdam und ins brandenburgische Umland.
Und die Zugausfälle und Verspätungen weiten sich aus. Ein Ende ist nicht abzusehen. Die Zahl der einsetzbaren Züge nehme täglich weiter ab, sagte ein Mitarbeiter. Selbst im Notfahrplan fehlten bereits wieder rund 60 Wagen. So fuhren auch gestern auf fast allen Linien die Züge nur alle 20 Minuten – auch auf der S 7 zwischen Ahrensfelde und Wannsee, wo es in den vergangenen Tagen meist wieder einen Zehn-Minuten-Verkehr gegeben hatte. Auch der Zehn-Minuten-Anschluss von Spandau ist passé, weil die Züge der S 9 vom Flughafen Schönefeld nur noch bis Charlottenburg fahren. So bleibt auch für Spandau jetzt nur noch die S 75, die alle 20 Minuten nach Wartenberg fährt.Immerhin können die Fahrgäste zwischen Spandau und Charlottenburg nun wieder mit Regionalzügen fahren; die Sperrung des Abschnitts wegen Bauarbeiten ist aufgehoben. Eingestellt bleiben die S 45 (Flughafen Schönefeld–Hermannstraße) und die S 85 (Grünau/Schöneweide–Waidmannslust). Andere Linien wurden verkürzt.
Wie viele Züge derzeit in Betrieb sind, war bei der Bahn nicht zu erfahren. Stellungnahmen gab es nicht. Nach Angaben von Mitarbeitern sind inzwischen zahlreiche Gleise in den Abstellanlagen mit Zügen vollgestellt, die nicht mehr eingesetzt werden dürfen, weil die Sicherheitsvorschriften nicht erfüllt sind. Betroffen sind jetzt auch Bahnen, die keine Probleme mit den Rädern haben. Weil die Werkstätten völlig überlastet sind, können zunehmend auch die Züge der Reihe 485 nicht mehr alle sieben Tage in die Werkstatt, wie es Vorschrift ist, und müssen dann abgestellt werden. Fristverlängerungen würden nicht mehr erteilt. Im Betrieb gehe alles nur noch „wild durcheinander“, sagen Mitarbeiter. Eine Koordination gebe es kaum noch.
Auch bei Großveranstaltungen fällt die S-Bahn als Zubringer weiter meist aus. Gäste der Stadt werden es zur Leichtathletik-Weltmeisterschaft vom 15. bis 23. August merken, aber auch die Besucher der Pyromusikale an diesem Wochenende auf dem Flughafen Tempelhof. Die S-Bahn und die BVG haben vereinbart, vor allem bei Großveranstaltungen enger zusammenzuarbeiten. Die BVG werde, wo es geht, mehr Fahrzeuge einsetzen, um S-Bahn-Kunden Alternativen anzubieten, sagte BVG-Sprecher Klaus Wazlak. Außerdem habe man der S-Bahn drei Prüfgeräte für die Räder-Kontrolle überlassen.
Allerdings fehlen in den Werkstätten die Kapazitäten, weil die S-Bahn Anlagen geschlossen hat, um Kosten zu sparen. Zumindest das Werk in Friedrichsfelde müsse wieder geöffnet werden, fordert der Betriebsratsvorsitzende Heiner Wegner. Dort könnten dann gleichzeitig an vier Zügen Räder kontrolliert werden, was pro Zug etwa vier Stunden dauere. Eine Entscheidung hat die neue Leitung der S-Bahn noch nicht getroffen. „Wir schieben die Probleme weiter vor uns her“, resigniert Wegner. Wahrscheinlich noch monatelang.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: