zum Hauptinhalt

Betrugsprozess gegen Linke-Politiker Peer Jürgens: Staatsanwaltschaft beantragt fast zweijährige Haftstrafe auf Bewährung

Anklage und Verteidigung streiten sich am Amtsgericht Potsdam darüber, wo der Linken-Politiker Jürgens in seiner Zeit als Brandenburger Landtagsabgeordneter tatsächlich gewohnt hat. Die Frage ist: Hat Jürgens zigtausende Euro erschwindelt?

Stand:

Potsdam - Im Betrugs-Prozess gegen den Linken-Politiker Peer Jürgens hat die Staatsanwaltschaft eine Bewährungsstrafe gefordert. Der einstige Brandenburger Landtagsabgeordnete habe mit falschen Angaben zu seinen Wohnsitzen über zehn Jahre hinweg den Landtag um knapp 87 000 Euro betrogen, sagte Oberstaatsanwalt Rüdiger Falch am Dienstag in seinem Plädoyer vor dem Amtsgericht Potsdam. Dies sei gewerbsmäßiger Betrug. "Sie haben sich, wie der Volksmund sagt, als Raffke betätigt und den Vertrauensvorschuss der Wähler missbraucht", betonte Falch. Das Urteil wird am kommenden Montag erwartet. 

Verteidigung fordert weitgehend Freispruch

Die Verteidigung forderte hingegen weitgehend Freispruch, weil Jürgens tatsächlich in den von ihm angegebenen Wohnungen gewohnt habe und dort auch gesehen worden sei. "Die Vorschriften des Landtags für Fahrtkostenzuschüsse richten sich nach einem Wohnort, und die Wohnorte hat er gehabt", betonte Anwältin Marlen Block. Allerdings habe ihr Mandant in einem der angeklagten Fälle falsche Angaben gemacht, räumte Block ein. "Dafür ist er wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 60 Euro zu bestrafen."

Jürgens hatte nach der Zeugenaussage einer Nachmieterin im Prozess eingeräumt, dass er gut zwei Jahre lang mit falschen Angaben insgesamt 7400 Euro Zuschüsse für eine angebliche Zweitwohnung in Potsdam erschlichen hatte. Dieses Geld hat er dem Landtag zurückgezahlt.

Jürgens soll 87.000 Euro an Landtag und 10.000 Euro an soziale Einrichtung zahlen

Der Staatsanwalt warf dem 36-Jährigen auch Wahlfälschung vor, weil er sich mit einem angeblichen Hauptwohnsitz in Beeskow zu Unrecht einen Sitz im Kreistag von Oder-Spree gesichert habe. Falch forderte eine Gesamtstrafe von einem Jahr und zehn Monate Haft, ausgesetzt für drei Jahre zur Bewährung. Zudem solle Jürgens das gesamte Geld an den Landtag zurückzahlen und obendrein 10 000 Euro an eine soziale Einrichtung leisten.

Falch untermauerte seine Vorwürfe unter anderem mit Ergebnissen aus Wohnungsdurchsuchungen. Danach sei eine angebliche Wohnung von Jürgens in Beeskow (Oder-Spree) nur sehr spärlich möbliert und ausgestattet gewesen. "Es gab keine Kleidung an der Garderobe und im Küchenschrank nur ein paar Tassen, keine Teller", berichtete er. "Im Kühlschrank stand ein Joghurt, der seit einem Jahr abgelaufen war." Es sei auch wenig glaubhaft, dass Jürgens zuvor jahrelang im Haus seiner Eltern in Erkner gewohnt haben wolle, während er gleichzeitig in Potsdam zunächst eine Miet- und dann eine Eigentumswohnung gehabt habe.

Jürgens: "Es wird eine nachhaltige Beschädigung meiner Person und meiner Partei bleiben"

Jürgens zweiter Verteidiger Norman Lenz warf dem Staatsanwalt vor, er wolle seinen Mandanten ohne ausreichende Beweise als raffgierigen Politiker bloßstellen. Die Staatsanwaltschaft habe sich während des gesamten Verfahrens bemüht, Zeugenaussagen einseitig gegen den Angeklagten auszulegen, kritisierte Lenz in seinem Plädoyer. "Aber was können Arbeitskollegen, Nachbarn oder Freunde tatsächlich über die Lebensverhältnisse eines Menschen sagen?", fragte Lenz. "Jedenfalls nichts juristisch Greifbares." Jürgens habe tatsächlich wie von ihm angegeben zunächst im Elternhaus in Erkner und ab 2011 in Beeskow (Oder-Spree) gewohnt, sagte der Anwalt. "Jedenfalls hat der Prozess nichts ergeben, was dem widerspricht."

Der 36-Jährige versicherte in seinem Schlusswort, dass er überzeugt davon gewesen sei, dass seine Wohnorte wie angegeben auch seine Lebensmittelpunkte gewesen seien. "Bis auf den einen Fall, für den ich mich sehr schäme", bekannte er. "Und egal, wie der Prozess ausgeht - es wird eine nachhaltige Beschädigung meiner Person und meiner Partei bleiben."

Klaus Peters

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })