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ERMITTLUNGEN: Staatsanwaltschaft erhöht Druck auf Rocker

Chefermittler Jörg Raupach erwartet von Richtern härtere Strafen. Im September beginnt der erste Großprozess.

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Berlin/Potsdam - Verkürzt könnte man sagen: „Raupach gegen die Rocker“. Doch hinter dem Chef der Berliner „Task Force Rocker“ stehen neun weitere Staatsanwälte. Dass der Vizechef der Berliner Staatsanwaltschaft, Jörg Raupach, mit der Aufgabe betraut wurde, zeigt die Brisanz. Am 12. Juni ging die Truppe an den Start, zwei Tage zuvor hatte ein Unbekannter sechs Schüsse auf einen der bekanntesten Rocker, den Hells-Angels-Boss André Sommer, abgefeuert. Das war der bisherige Höhepunkt des Rockerkrieges, auf den die Justiz in Berlin sofort reagierte.

Viel ist passiert in den letzten Monaten: Im Mai hatte Innensenator Henkel eine wichtige Abteilung der Hells Angels verboten. Vermutlich als Rache für den Angriff auf Sommer wurden im Juli zwei Bandidos in Wedding von Schüssen getroffen, als in dem Vereinsheim gerade die Führung dieser Rocker-Vereinigung tagte. Zudem gibt es ein Ultimatum der Hells Angels, dass seit dem 1. Juli kein anderer Klub in Berlin geduldet werde.

„Die Gefahr ist nicht gebannt“, sagt Raupach deshalb. Ungewiss sei, wie die Reaktion der Bandidos aussehen werde. Die traditionell mit den Hells Angels verfeindete Truppe sei stark in der Defensive, nachdem im Mai viele Mitglieder zu den direkten Gegnern übergelaufen waren. „Wenn die Bandidos nicht ganz verschwinden wollen, müssen sie was machen“, sagt Oberstaatsanwalt Raupach. Wie das „was machen“ aussehen kann, zeigen die Festnahmen in Rostock. Anfang Juli waren durch einen Tipp der schwedischen Polizei drei Männer, darunter zwei Bandidos, festgenommen worden. Im Gepäck hatten sie drei Stangen Sprengstoff, eine Sprengkapsel und schusssichere Westen. Ermittler gehen davon aus, dass damit in Berlin ein Anschlag auf die Hells Angels verübt werden sollte.

Das Ziel der „Task Force“, die Szene nervös zu machen, wie Raupach das nennt, ist bislang aufgegangen. Die Polizei ist ständig unterwegs, klappert Treffpunkte ab, kontrolliert Motorräder, zeigt Präsenz. Hinzu kommen Razzien und Durchsuchungen von Vereinsheimen und Wohnungen. Am Sonnabend durchten Beamte in Berlin-Lankwitz 68 Besucher einer Veranstaltung von einem Unterstützerklub der Bandidos. Im Wagen eines 46-Jährigen wurde ein verbotenes Einhandmesser gefunden und beschlagnahmt. Gegen den Mann wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz eingeleitet.

Die Folge dieses Verfolgungsdrucks: Nahezu täglich lösen sich Chapter der Klubs auf und gründen sich neu, für Außenstehende ist die Szene kaum noch zu durchschauen. „Es wabert“, sagt Chefermittler Raupach dazu. Verhalten optimistisch ist er, weil es erste Fälle gab, dass Festgenommene oder Opfer mit den Behörden redeten – bislang absolut undenkbar. Bei Vernehmungen saßen die Rocker zuvor nur da und starrten an die Decke. Im besten Falle ließen sie ein „Ich sage nichts“ fallen oder ließen dies Satz vom Anwalt ausrichten. „Es gibt bei einigen einen Umdenkprozess“, so Raupach. Es gab sogar erste Geständnisse. Dies könnte letztlich das Schweigegesetz der Rocker („Wir regeln das untereinander“) ins Wanken bringen.

Ein erstes Großverfahren soll im September starten, es geht um Drogenhandel im großen Stil unter Beteiligung der Bandidos. Die Staatsanwaltschaft erwartet, dass einer der Angeklagten aussagen wird – ein Novum. Für die Zukunft erwartet Raupach härtere Strafen vor Gericht. „Null Toleranz“ sei das Credo der Task Force, jede Straftat werde verfolgt, nichts mehr eingestellt. Durch die Bündelung werden nun sämtliche Strafverfahren von der Task Force geführt, zuvor waren verschiedene Abteilungen zuständig, je nach Delikt. Im ungünstigsten Fall wussten die einzelnen Staatsanwälte nichts von anderen Ermittlungen. Zum Teil wurden Straftaten sogar als „Motorradromantik“ verklärt und Verfahren eingestellt.

„Das sind Schwerkriminelle“, stellt Raupach klar – „und das werden auch die Richter sehen.“ Bekanntlich sind die knapp 500 Hells Angels und etwa 300 Bandidos im Drogen- und Waffenhandel und im Rotlichtmilieu aktiv. Da durch den Berliner Druck eine Verdrängung nach Brandenburg befürchtet wird, hat die Task Force die Kontakte mit dem Nachbarland intensiviert, ebenso mit den Ermittlern dort. Mehrfach waren Berliner Beamte bei Einsätzen gegen Rocker in Brandenburg beteiligt, etwa bei den Razzien gegen die Hells Angels in Potsdam.

Auch Raupach war am vorigen Wochenende mit auf „Rockerstreife“ der Polizei, um sich ein Bild zu machen. So hatte es der 50-Jährige auch früher gehalten, als er noch für Hooligans und politische Extremisten zuständig war; da tauchte er auf Demonstrationen und in Fußballstadien auf. Jörn Hasselmann (mit axf)

Jörn Hasselmann (mit axf

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