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Wohnen in Potsdam: Studie: Nach Abzug der Miete viele Familien unter Hartz IV
UPDATE Sie beziehen kein Hartz-IV - und haben weniger zum Leben als Grundsicherungs-Empfänger: Wegen hoher Mieten bleibt Familien in Potsdam, Berlin und Cottbus kaum Geld zum Leben.
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Berlin/Gütersloh (dpa) - Hohe Mietkosten verschärfen laut einer Studie das Armutsrisiko einkommensschwacher Familien und lassen sie in vielen größeren Städten unter Hartz-IV-Niveau rutschen. In 60 der 100 größten deutschen Städte haben Familien mit Kindern nach Überweisung der Miete im Schnitt weniger Geld zur Verfügung als den Hartz-IV-Regelsatz von monatlich 1169 Euro. Das teilte die Bertelsmann Stiftung am Montag nach einer Analyse mit. Der Mieterbund forderte mehr Wohnungsbau und, wie Grüne und Linke, Mietpreisbremsen.
"Familien aus der unteren Mittelschicht und oberen Unterschicht geraten in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt finanziell stark unter Druck", sagte der Vorstand der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger. Untersucht wurde eine Modellrechnung für eine vierköpfige Familie mit weniger als 60 Prozent des regionalen Durchschnitts- Einkommens, die ein Kind bis 7 Jahre sowie ein Kind zwischen 7 und 14 Jahren hat.
In Jena bleiben solchen Familien laut Studie nach Überweisung der Miete rechnerisch 666 Euro im Monat. Ihr verfügbares Einkommen liege 43 Prozent unter dem Niveau der Grundsicherung. Andererseits kommt eine Familie in Heilbronn - bei entspannterem Wohnungsmarkt und relativ hohen Durchschnittseinkommen - demnach auf 1941 Euro, das liege 66 Prozent über Grundsicherungsniveau.
Der Anteil der Wohnkosten am Einkommen schwankt der Berechnung zufolge erheblich. In Frankfurt/Main, Jena, Freiburg und München gäben solche einkommensschwachen Familien im Schnitt mindestens jeden zweiten Euro für die Miete aus, erläuterte die Stiftung. In Iserlohn oder Witten blieben 80 Prozent des Einkommens für anderes übrig.
Ausgehend davon, dass eine Familie wie im bundesweiten Schnitt maximal 30 Prozent des Einkommens für Miete ausgeben will, stellt sich laut Studie der Wohnungsmarkt sehr unterschiedlich dar. In Frankfurt/Main, Offenbach, München, Freiburg, Konstanz, Potsdam und Jena kämen nur ein Prozent des Wohnungsangebots infrage. Dagegen wären es in Hildesheim oder Zwickau mehr als 40 Prozent.
Lesen Sie eine ausführliche Analyse der Studie in der DIENSTAGAUSGABE der POTSDAMER NEUESTEN NACHRICHTEN
Grundlage der Modellrechnungen waren den Angaben zufolge Daten des amtlichen Mikrozensus 2011 sowie Wohnkosten aus einer Datenbank für Preise von Immobilienangeboten. Als familiengeeignet wurden Wohnungen von mindestens 75 Quadratmetern und mit drei Zimmern angenommen.
Der Mieterbund forderte die Politik zum Handeln auf. "Wir brauchen mehr Wohnungsneubau, insbesondere auch mehr Sozialwohnungen und eine Begrenzung der Wiedervermietungsmieten", sagte Bundesdirektor Lukas Siebenkotten. Der Mieterbund kritisierte zudem, dass die Zahl der Wohngeldempfänger 2011 im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent auf 770 000 Haushalte gesunken sei. Dies könne nicht sein, wenn zugleich die Wohnkostenbelastung für einkommensschwächere Haushalte steige.
Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen rief die Kommunen auf, Bauland zur Verfügung zu stellen. Es sei aber auch zu sehen, dass die größten Preiserhöhungen für Mieter aktuell durch Energiepreise, Stromkosten und Steuern entstünden. Grünen- Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sagte: "Damit eine Wohnung in der Stadt nicht zum Armutsrisiko wird, ist eine Mietpreisbremse unverzichtbar." Die Linke-Verbraucherpolitikerin Caren Lay forderte, dass Kommunen das Recht erhalten sollten, Höchstmieten festzulegen. (dpa)
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