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Brandenburg: Terrorstätte des NS-Regimes in Oranienburg

Am „Tag von Potsdam“ vor 75 Jahren wurde das Lager eröffnet / Heute erinnern viele Gedenktafeln in der Stadt daran

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Oranienburg - Spuren gibt es fast keine mehr. Am 21. März 1933, als die Nazis mit großem Propagandaaufwand den „Tag von Potsdam“ zur Eröffnung des neugewählten Reichstages inszenierten, wurde nicht weit entfernt eine der ersten Terrorstätten des NS-Regimes eröffnet: das Konzentrationslager Oranienburg.

Während sich Hitler an dem Tag vor 75 Jahren vor der Potsdamer Garnisonkirche vor Hindenburg verneigte und damit der Schulterschluss mit den Deutschnationalen bekräftigt wurde, wurden andernorts Regimegegner verhaftet und misshandelt. Die 81 Mandate der KPD-Parlamentarier waren kurzerhand für ungültig erklärt worden, viele von ihnen schon in Haft oder auf der Flucht. Auch die 120 SPD-Abgeordneten nahmen an der Propaganda-Veranstaltung in Potsdam nicht teil. In Oranienburg und Umgebung machte zur gleichen Zeit die SA Jagd auf ihre Gegner: Noch am gleichen Abend wurden die ersten 40 Häftlinge in das neue Konzentrationslager eingewiesen.

Drei Jahre vor Gründung des „Muster-KZ“ Sachsenhausen entstand so in derselben Stadt auf einem ehemaligen Brauerei-Gelände mitten im Ort, nicht weit vom Schloss das erste Konzentrationslager im Land Preußen.

Von der Folterstätte sind heute nur noch eine Brandmauer und ein paar Quadratmeter des Hofpflasters erhalten. Zwei Gedenksteine stehen dort und eine kleine Infotafel. Auf dem Grundstück wurde zu DDR-Zeiten ein Polizeirevier errichtet, daneben steht heute ein Supermarkt. Viel wissen die Leute nicht vom KZ Oranienburg. Im Bahnhofsbuchladen steht ein schmaler Junge hinter der Kasse. Zwischen Arztromanen, Heimatgeschichten und anderen Groschenromanen werden Landser-Hefte angeboten, als „Erlebnisberichte zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs“. Neben Fotobüchern über Trabbis und Sportwagen steht ein Bildband über „Uniformen deutscher Elite-Panzerverbände 1939-1945“ im Regal. Das KZ Oranienburg? „Moment“, sagt der 15-Jährige aufmerksam, öffnet die Schublade unter der Kasse, holt ein kopiertes Papier hervor und reicht es über den Tresen.

Die Öffnungszeiten der Gedenkstätte Sachsenhausen sind dort verzeichnet, ein kleiner Stadtplan ist drauf und der Busfahrplan. Auch im Supermarkt neben dem ursprünglichen KZ-Standort wird man freundlich ans andere Ende der Stadt geschickt. „Ja, hier war auch was“, sagt schließlich eine Frau. „Da, wo die Polizei ist.“ Eine ältere Dame geht fein geschminkt mit ihren Einkäufen zur Kasse. „Hier nebenan war die Fälscherwerkstatt vom KZ Sachsenhausen“, sagt sie.

Ein Mädchen entschuldigt sich schüchtern: „Hier in der Gegend weiß ich nichts, aber es gibt viele Gedenktafeln in der Stadt.“ Das frühere Brauerei-Gelände neben dem heutigen Supermarkt war im Februar 1933 der SA-Standarte 208 kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Am 17. März forderte das preußische Innenministerium zur Benennung von geeigneten Standorten für Konzentrationslager auf. Und die SA in Oranienburg sah ihre Chance zur Rache für frühere Niederlagen im Straßenkampf. Im April waren bereits mehr als 100 Menschen im KZ Oranienburg inhaftiert, bis zur Schließung im Juli 1934 sollten es rund 3000 werden.

Die meisten Opfer stammten aus der Arbeiterbewegung, vor allem aus der KPD. Auch Friedrich Ebert, Sohn des ersten gleichnamigen Präsidenten der Weimarer Republik, und andere NS-Gegner aus der SPD wurden nach Oranienburg verschleppt, ebenso der Regisseur und spätere erste Intendant des SFB, Alfred Braun. Anfang Juli 1934 übernimmt die SS das KZ Oranienburg, kurz darauf wird dort der Anarchist Erich Mühsam ermordet, das prominenteste der mindestens 16 Todesopfer des Konzentrationslagers. Am 13. Juli werden die Häftlinge nach Sachsen-Anhalt verlegt, einen Tag später wird das KZ Oranienburg geschlossen. An die Opfer erinnert die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten seit 2002 mit einer Dauerausstellung in der Gedenkstätte Sachsenhausen. Am 30. März soll am Polizeirevier von Oranienburg eine neue Informationstafel aufgestellt werden.

Yvonne Jennerjahn

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