Von Sebastian Leber: Triebe, Gags und Zärtlichkeit
Deutschlands erste Internet-Soap spielt in Berlin. Die „Candy Girls“ werden oft angeklickt – und diskutiert
Stand:
Folge 16 spielt im Volkspark Friedrichshain. Die Mädels hocken vor dem Café Schönbrunn, Lola hat ihre Katze dabei, Soffy ein Problem. Sie hat sich intimrasiert, es juckt. Selber schuld, weiß Kira. Hätte die Arme bloß eine ordentliche Klinge benutzt. „Nur die für acht Euro sind richtig gut.“ Lola will auch etwas loswerden: Sie findet vollrasiert total geil.
Es ist schon derbe, was die jungen Frauen in vier bis sechs Minuten von sich geben. So lange dauert eine Folge von „Candy Girls“, Deutschlands erster Internet-Soap. Zu sehen ist sie auf der Online-Plattform Myspace, pro Woche gibts zwei neue Clips kostenlos. Die Folgen sind bei Jugendlichen beliebt, 1,3 Millionen Mal wurden sie angeklickt. Heute kommt Nummer 17, da wird sich zeigen , ob Soffys Jucken nachgelassen hat.
Die Handlung der Soap ist ziemlich simpel: Vier Frauen zwischen 18 und 26 Jahren arbeiten in einem Club. Den gibt es wirklich, es ist der Club 103 in Kreuzberg, direkt an der Oberbaumbrücke. Die Macher brauchten einen Laden im „typisch runtergekommenen Berlin-Style“, heißt es. Weil „Candy Girls“ authentisch wirken soll. Bedeutet das etwa, dass der Zuschauer durch die Serie einen geheimen Blick auf Berlins Nachtleben werfen kann? Erfahren kann, was in der Clubszene los ist?
Was in den bisherigen Folgen passiert ist: Eine Gogo-Tänzerin will nach ihrem Auftritt plötzlich 500 Euro und droht, ihre Kumpels zu holen. Die Bardame sucht jemanden zum Fremdgehen. Die Geschäftsführerin des 103 überlegt, welchen Künsternamen sie als Pornodarstellerin wählen würde und kommt auf „Pfiffi Westlake“. Ein anderes Mal überlegt sie, was drei Frauen auf dem Klo wohl machen – nehmen die Drogen, oder haben sie bloß Sex? Und wo ist eigentlich Lola? Die wird doch nicht mit diesem Typen?
Wenn die Candy Girls wirklich das wahre Großstadt-Nachtleben widerspiegelten, wäre das für Berlins Eltern ein klarer Grund, ihre Kinder aufs Internat in die Uckermark zu schicken. Aber es war zum Glück nie die Absicht, Realität abzubilden, sagt die 27-jährige Lydia Schamschula. Die ausgebildete Theaterschauspielerin mimt in der Soap die Candy-Girls-Anführerin Soffy. „Es sollte halt alles etwas überhöht sein: die Figuren, die Kostüme und die Dialoge auch.“ Und es sollte eben nur ein zugespitztes Bild sein von dem, was junge Menschen nachts in dieser Stadt erleben können. Privat war Schamschula noch nie im Club 103, als typische Clubgängerin sieht sie sich auch nicht. Aber sie hat früher mal als Barkraft im Cookies gearbeitet. Und dort, sagt sie, habe sie tatsächlich einiges mitbekommen von Drogenkonsum und „Pärchen, die es morgens nicht mehr nach Hause schaffen“. Ihre Kollegin Catharina Caterba, die auch eines der Candy Girls spielt, nennt das Gezeigte „klischeehaft und knallig“. Weil es eben keine Realityshow sein solle. Caterba ist 18 und geht aufs katholische Canisius-Kolleg in Tiergarten. Die ganze Schule gucke sich die Folgen an, sagt sie. Auch die Lehrer.
In einer Folge haben sie es übertrieben. Da war Skandal-Rapperin Lady Bitch Ray zu Gast, die hat ohne Drehbuch drauflos geplappert und ohne Pause mit Pornobegriffen um sich geworfen. Myspace entschied sich, den Clip nach kurzer Zeit wieder vom Netz zu nehmen. Ray zu engagieren, sei „eine Fehlkalkulation“ gewesen, sagt der Sprecher. Jetzt ist der Clip der Renner. Beim Konkurrenten Youtube.
Die Folgen im Netz:
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