Von Frank Jansen: Verfassungsschutz fürchtet Eskalation 1. Mai in Berlin: Behörden-Chefin Claudia Schmid warnt vor einer Zunahme von Gewalt und Zusammenstößen von Rechten und Linken
Berlin - Walpurgisnacht und 1. Mai sind in Berlin traditionell krawallträchtig, doch diesmal dürfte es noch mehr brenzlige Situationen geben als in den vergangenen Jahren.
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Berlin - Walpurgisnacht und 1. Mai sind in Berlin traditionell krawallträchtig, doch diesmal dürfte es noch mehr brenzlige Situationen geben als in den vergangenen Jahren. Schon bei der für den Abend des 30. April angemeldeten linken Demonstration zur Kneipe „Zum Henker“, dem rechtsextremen Szenetreff in Berlin-Niederschöneweide, sei eine „emotionsgeladene, aggressive Stimmung“ zu befürchten, sagte die Leiterin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, dieser Zeitung. Sie hält zudem eine Kettenreaktion für möglich, sollte es in Niederschöneweide zu Auseinandersetzungen zwischen Antifa-Gruppen und Neonazis kommen. „Je nachdem, was passiert, wird das Auswirkungen haben auf die Demonstrationen am 1. Mai.“
Die Sicherheitsbehörden sind in diesem Jahr so stark gefordert wie lange nicht mehr. Erstmals seit 2004 werden wieder Rechtsextremisten am 1. Mai aufmarschieren, laut Innensenator Ehrhart Körting (SPD) erwartet die Polizei 2500 bis 3000 Teilnehmer – womit die Gefahr von Ausschreitungen nochmal wächst. Die linke Demonstration zum „Henker“könnte eine Initialzündung sein. „Für die linke Szene ist die Kneipe ein Hassobjekt“, sagte Schmid, „und die Rechtsextremisten werden das Lokal verteidigen“.
Das in der Walpurgisnacht übliche Straßenfest mit Punkbands auf dem Boxhagener Platz wird laut Schmid wieder von erheblichem Alkoholkonsum geprägt sein und vermutlich erneut zu Auseinandersetzungen mit der Polizei führen. Diese habe die Lage in den vergangenen Jahren allerdings gut im Griff gehabt, vor allem das Flaschenverbot habe gewirkt.
Am Mittag das 1. Mai wollen Neonazis von der Bornholmer Straße aus durch den Bezirk Prenzlauer Berg ziehen. „Die werden auf jeden Fall laufen wollen“, so Schmid. Die Rechtsextremisten würden sich etwas einfallen lassen, „um die von ihnen als entwürdigende Schlappe empfundene Situation vom 13. Februar in Dresden nicht noch einmal zu erleben“. In Dresden hatten zahlreiche Nazigegner einen Aufmarsch verhindert.
Sorge bereitet Schmid die Neonazi-Klientel, die am 1. Mai zu erwarten ist. Für die Demonstration werde vor allem im Spektrum der Autonomen Nationalisten bundesweit mobilisiert. Die Autonomen Nationalisten gelten als besonders gewaltbereit, attackieren auch die Polizei und kopieren Aktionsformen des schwarzen Blocks der Linksextremisten. 2009 überfielen Autonome Nationalisten am 1. Mai in Dortmund Gewerkschafter. Ein Jahr zuvor lieferten sich Autonome Nationalisten am Maifeiertag Straßenschlachten mit der Linken in Hamburg.
Bei der rechtsextremen Demonstration in Prenzlauer Berg besteht laut Schmid „die Gefahr der Eskalation“, sollten Rechte mit Nazigegnern aufeinandertreffen. Ein breites, überwiegend demokratisches Bündnis will den Neonazi-Aufmarsch mit Blockaden verhindern – nach dem Dresdener Beispiel. Daneben kündigen autonome Antifa-Gruppen „direkte Aktionen“ im Umfeld der rechtsextremistischen Demonstration an. „Wir rechnen mit Angriffen linker Kleingruppen auf Neonazis“, sagte Schmid. Auch bei An- und Abreise der Rechtsextremisten seien Zusammenstöße nicht auszuschließen.
Vom Verlauf der rechtsextremen Demonstration werde abhängen, was sich am Abend bei der „Revolutionären Maidemo“ der Linken abspielt. Treibende Kräfte seien hier wie in den letzten Jahren die linksextremen Gruppierungen „Antifaschistische Linke Berlin“ (ALB) und „Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin“ (ARAB). Die ALB befürworte zumindest Gewalt, die ARAB gehe noch einen Schritt weiter, sagte Schmid. Es falle allerdings auf, dass der Verzicht auf Alkohol bei der Revolutionären Demonstration propagiert werde und die Route diesmal aus Kreuzberg hinausführe, in Richtung Neukölln zum Hermannplatz. Die Linken wollten offenbar ihre politische Agenda stärker zur Geltung bringen. Dennoch sei wie in den vergangenen Jahren eine „aggressive, polizeifeindliche Atmosphäre zu erwarten, die sich je nach Gelegenheit entladen kann“, warnte Schmid. Und nach Ende der Demonstration und bei Einbruch der Dunkelheit müsse wieder mit Ausschreitungen gerechnet werden, an denen sich viele Angetrunkene beteiligen.
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