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Prozess um tödliche Schüsse im Maisfeld: Vom Feld ins Gefängnis

Nach dem tödlichen Unglück in Nauen muss der Schütze für drei Jahre hinter Gitter.

Stand:

Nauen - Verstieß Alexander R. grob gegen seine Sorgfaltspflichten, als er im September 2015 einen Schuss auf ein Wildschwein abgeben wollte und stattdessen den 30-jährigen Norman G. tötete und dessen 23-jährige Begleiterin Katarzyna K. am Oberarm verletzte? Oder war das Ganze ein zwar tragischer, aber unvermeidbarer Unfall? Zwischen diesen Positionen musste das Amtsgericht Nauen wägen, bevor es die Tat schließlich als fahrlässige Tötung und Körperverletzung bewertete. Das Urteil am Montag lautete: Der 32-jährige selbstständige Unternehmer und Vater zweier Kinder muss drei Jahre ins Gefängnis.

Zuvor hatte der Angeklagte noch einmal selbst den Hergang des Unglücks geschildert: Leise sei er in der aufziehenden Dämmerung auf der Grasnarbe eines Feldweges entlang geschlichen, mit dem Gewehr auf der Schulter. Während er sich seinem Hochsitz näherte, hörte er ein Rascheln. Es kam aus der Richtung eines sogenannten Wildwechsels, wie die Tierpfade genannt werden. Deutlich habe er durchs Fernrohr ein männliches Wildschwein gesehen: „Ein Überläufer, 60 bis 70 Kilo schwer.“ Grau sei es gewesen und habe mit den Ohren gewackelt. Durchs Zielfernrohr seines Gewehrs bot sich ihm dasselbe Bild. „Sonst hätte ich nicht geschossen, das können Sie mir glauben! Ich habe das Stück einwandfrei gesehen und auf das Blatt gezielt.“

Sein Anwalt sah in diesem Verhalten keine Sorgfaltspflichtverletzung, Polizeibeamte hätten Wildspuren am Tatort bestätigt. Auch glaubte der Verteidiger, dass das dicht neben dem Feldweg und eng beieinander sitzende Paar die Zweisamkeit suchte: „Sie wollten nicht gesehen werden.“ Er forderte deshalb einen Freispruch, maximal eine Bewährungsstrafe für seinen Mandanten.

Das Gericht schloss sich jedoch der Sicht des Staatsanwaltes an, der sogar dreieinhalb Jahre Haft gefordert hatte. „Gab es dieses Wildschwein überhaupt?“, so die rhetorische Frage des Richters. „Wir gehen von einem Wahrnehmungsfehler aus.“ Möglicherweise habe R. die schwarzen Haare beider Opfer entsprechend gedeutet: „Jedenfalls haben Sie das Schwein nicht mit der gebotenen Sorgfaltspflicht wahrgenommen, Sie haben bei unsicherer Sachlage geschossen.“ Andernfalls hätte R. beim Blick ins Gelände die beiden, im 50 bis 70 Zentimeter hohen Gras Sitzenden wahrnehmen müssen.

Das Gericht würdigte die Bemühungen des Angeklagten um Schadenersatz: R. hatte sich verpflichtet, 15 000 Euro an die Familie des Getöteten zu zahlen und 25 000 Euro an die derzeit berufsunfähige K., die sich noch weiteren Operationen unterziehen muss. Das Urteil solle aber verdeutlichen, „dass man besondere Sorgfalt walten lassen muss, wenn man mit einer Waffe unterwegs ist“.

Gefasst nahm R. den Schuldspruch auf, möglicherweise werde er in Berufung gehen, hieß es. Seinem einst so geliebten Hobby wird er wohl nie wieder nachgehen: Seine Waffen hat er bereits abgegeben, der Jagdberechtigungsschein wird ihm auf dem Verwaltungsweg entzogen. Uta Eisenhardt

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