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Wandelndes Geschichtsbuch. Neuhausens Ortsvorsteher Udo Kemnitz zeigt auf einem Luftbild, wo die alte Wehrmachtsmunition im Untergrund liegt.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dapd

Brandenburg: Von wegen Besinnlichkeit

Kurz vor der Weihnachtspause gibt es noch einmal einen großen Knall in Neuhausen – wieder wurde Weltkriegsmunition gesprengt

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Neuhausen - Erneut ist in Neuhausen (Spree-Neiße) bei Cottbus Weltkriegsmunition gesprengt worden. Am Freitagnachmittag wurde eine Riegelmine unschädlich gemacht, wie der Technische Leiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes, Horst Reinhardt, sagte. Es seien zwei Sprengungen nötig gewesen, weil die Mine beim ersten Anlauf noch nicht vollständig zerstört worden sei. Einige Menschen mussten ihre Häuser nahe der Fundstelle am Ortsausgang verlassen.

Am selben Tag sollte der mittlerweile 10 mal 15 Meter große Krater gesichert und die Arbeiten über Weihnachten eingestellt werden. Die Suche nach weiterer Munition in dem ehemaligen Bombentrichter werde am Dienstag vorbereitet und einen Tag später mit einem neuen Spezialbagger, der noch tiefer ins Erdreich graben könne, wieder aufgenommen, sagte Reinhardt. Experten vermuteten dort weitere Munition. Der Bagger sei mit Panzerglas und Stahlplatten gesichert, um den Fahrer zu schützen.

Der zuerst eingesetzte Bagger hatte am Freitag Reinhardt zufolge aber noch weitere Kriegshinterlassenschaften an die Oberfläche befördert: neun Raketenwurfkörper und eine Granate. Sie seien abtransportiert worden. Der Bagger war seit mehreren Tagen auf der Suche nach alter Kriegsmunition. Das Gerät hatte in dem früheren Bombentrichter laut Reinhardt rund sieben Meter tief gegraben. Der Trichter war zum Kriegsende zugeschüttet, alte Munition dort vergraben worden. Die Älteren in der 380-Seelen-Gemeinde wissen, worum es geht: Im April 1945 sei das ganze Dorf geräumt worden, erzählt Udo Kemnitz. Der 62-Jährige ist Tischler im Ort und so etwas wie das Neuhausener Geschichtsbuch. In den letzten Kriegstagen verteidigten Wehrmachtssoldaten seinen Angaben zufolge am Ortsrand die Spreebrücke. Aufhalten konnten sie die 53. Gardepanzerbrigade der Roten Armee nicht, die am 17. April 1945 in Neuhausen einmarschierte und in der Mühlenvilla ihre Kommandantur einquartierte. Jahrzehnte später explodierten dann in der vergangenen Woche Riegelminen zur Panzerabwehr von selbst und hinterließen einen großen Krater. Zwei weitere Minen wurden kontrolliert gesprengt. Verletzt wurde niemand.

Ursprünglich sollte die Suche vor Weihnachten abgeschlossen sein. „Wir wurden in unserem Plan zurückgeworfen“, sagte Bürgermeister Dieter Perko (CDU). Bis dahin werde der Detonationskrater weiträumig abgesperrt, „so dass wir davon ausgehen, dass keine Gefahr besteht“, betonte Perko. Er appellierte an Einwohner und Auswärtige, keine Erschütterungen zum Beispiel durch Fahrzeuge zu verursachen. „Es besteht keine Gefahr, solange sich niemand zu dem Krater begibt“, sagte auch Reinhardt. „Was dort unter der Erde ist und in welchem Zustand, können wir nicht sagen. Es ist alles offen.“

Brandenburg ist deutschlandweit am stärksten mit Munitionsaltlasten aus dem Zweiten Weltkrieg belastet. 380 000 Hektar gelten als Flächen mit hohem Munitionsverdacht, 80 000 Hektar sind ganz gesperrt. Jährlich würden für die Bergung von Bomben, Granaten und Minen zehn Millionen Euro ausgegeben, wovon die Hälfte auf das besonders stark belastete Oranienburg (Oberhavel) – siehe Kasten – entfällt. dpa/dapd

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