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Von Andreas Wilhelm: Weihnachten: Kein Besuch im Knast

Während der Feiertage ist das Leben hinter Gittern noch ein bisschen härter

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Potsdam - „Vorfreude, schönste Freude“, wird demnächst allerorten angestimmt. Doch während draußen „Kling-Glöckchen“ klingt, kommen in Gefängnissen zur „Stillen Nacht“, noch ein paar sehr einsame Tage hinzu. 1755 Menschen, so die Zahl des Justizministeriums, sitzen über die Feiertage in brandenburgischen Gefängnissen. Über die Feiertage, so heißt es aus den Haftanstalten, werde kein Besuch genehmigt.

Dies ist aber keine besondere Maßnahme zur Bestrafung der Gefangenen, wie Anstaltsleiter Hermann Wachter aus Brandenburg/Havel sagt. Vielmehr gehe es darum, „so wenig wie möglich Personal zu fahren“. Denn die Angestellten wollten schließlich ebenfalls Zuhause sein.

Einfach sei das nicht für viele Häftlinge, sagt Wachter. Jedoch gebe es entgegen seinen Erwartungen in Brandenburg/Havel auch nicht so viele Besuchs-Anträge während dieser Zeit. Er vermutet, dass die Verwandten gerade zu den Feiertagen „nicht unbedingt ein Gefängnis sehen möchten“. Am 22. Dezember, so der JVA-Leiter, sei der letzte Besuchstag für Angehörige. Danach werden höchstens Geschenke reingelassen. Rund 350, schätzt Wachter, treffen zu Weihnachten für die rund 460 Insassen ein. Die Pakete werden geröntgt, von einem Polizei-Hund auf Drogen beschnüffelt und im Beisein der Häftlinge geöffnet.

Nach den Worten von Petra Wellnitz, JVA-Chefin in Neuruppin/Wulkow, ist dort für eine Vielzahl von Gefangenen die schwerste Zeit des Jahres angebrochen. Harte Knackis mit weichem Kern? „Es gibt viele, die ziehen sich zurück, schmücken ihre Zellen mit Absicht nicht, sagen, sie wollen von der Gefühlsduselei gar nichts hören“, erzählt Wellnitz. Die meisten würden sowieso nur einmal Weihnachten in Wulkow verbringen. Ein schwacher Trost – der Verdrängungseffekt sei trotzdem da. Deswegen dürfen auch während des Rock-Konzerts, bei dem eine Neuruppiner Band in der Aula der JVA spielt, auf ausdrücklichen Wunsch der Häftlinge keine Weihnachtslieder gespielt werden.

Besuchsverbot auch in Frankfurt (Oder). 120 Häftlinge sitzen hier ein. Ein Drittel seien Ausländer, sagt Vize-Gefängnis-Chefin Antje Mohnke. Im Gegensatz zu Brandenburg/Havel, wo auch sogenannte Langstrafer sitzen, ist die Frankfurter Anstalt zuständig für kürzere Haftstrafen aber auch Ersatzfreiheitsstrafen, für Leute, die eine Geldstrafe nicht bezahlen konnten. Dass diese unter allen Umständen versuchen, noch vor Weihnachten das ausstehende Geld aufzutreiben, sieht Mohnke als ein Indiz dafür, wie schwer „Weihnachten im Bau“ sein kann. Doch Besuchszeit bedeute mehr Personal. „Wir wollen unsere Bediensteten nach Möglichkeit nicht so lange von ihren Familien trennen“, sagt Mohnke. Päckchen treffen aber auch in Frankfurt (Oder) noch ein. Wer von seinen Verwandten kein Geschenk bekommt, an den denkt die Caritas. Tabak, Kaffee und Stollen, sagt Mohnke, darüber freuen sich die Insassen am meisten. „Und die polnische Botschaft schickt Päckchen für die polnischen Häftlinge.“

Für Wachpersonal dürfte während der Feiertage Zeit zum Durchatmen sein. Nicht nur, weil die Schließer und Wächter zu Weihnachten bei ihren Familien sein können. „Es ist auch eine ruhige in sich gekehrte Zeit“, wie es JVA-Leiter Wachter formuliert. Das merke man, wenn man durch die Gebäude gehe. Trotzdem schärfe das Personal vor langen Feiertagen in besonderer Weise seine Sinne. Da können brennende Klopapierrollen als Feuerwerksersatz dienen und vergorene Fruchtsäfte als Punsch mit Umdrehung. Harte Drogen, wie Kokain oder Heroin spielen Wachter zufolge in Brandenburger Haftanstalten im Vergleich zu anderen Bundesländern „eine zu vernachlässigende Rolle“.

Andreas Wilhelm

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