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Eine zu geringe Wahlbeteiligung von nur 29 Prozent war am Sonntag in Berlin entscheidend für das Scheitern des Volksentscheids zu Pro Reli. Rund 2,45 Millionen Wahlberechtigte sind zur Stimmabgabe aufgerufen.

© dpa

Von F. Ernst, W. van Bebber, S. Kneist und U. Zawatka-Gerlach: Wenig Interesse für Volksentscheid

Bis zur Schließung der Wahllokale stimmten nur 29 Prozent der Berliner ab

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Stand:

Berlin - Für Pro Reli hat es nicht gereicht. Nach Auszählung von 99,7 Prozent der abgegebenen Stimmen votierten laut Landeswahlleiter Andreas Schmidt von Puskás gestern Abend uneinholbare 51,4 Prozent der Teilnehmer am Volksentscheid mit „Nein“ und damit gegen ein Wahlpflichtfach Religion. 48,4 Prozent stimmten mit „Ja“, 0,2 Prozent der Stimmen waren ungültig. Dieses vorläufige Ergebnis macht es unmöglich, dass Pro Reli die für einen Erfolg benötigte Zahl von 611 422 „Ja“-Stimmen noch erreicht. Damit bleibt es beim bisherigen Berliner Modell, wonach der vor drei Jahren eingeführte Ethikunterricht Pflichtfach und Religionsunterricht ein freiwilliges Angebot ist. Die Wahlbeteiligung lag bei 29 Prozent. Das sind 8,2 Prozent weniger als beim Volksentscheid zum Weiterbetrieb des Flughafens Tempelhof, bei dem sich insgesamt 36,1 Prozent der Stimmberechtigten beteiligten. Der Entscheid scheiterte vor fast genau einem Jahr, am 27. April 2008, an der Anzahl der nötigen „Ja“-Stimmen.

Als am gestrigen Sonntag der Himmel noch knallblau war, fuhren die Leute mit dem Auto oder dem Fahrrad stadtauswärts. Und auch diejenigen, die vormittags im Gottesdienst gewesen und dann zur Abstimmung ins Wahllokal gegangen waren, mussten mit dem Ankreuzen auf dem Wahlzetteln nicht lange warten. Anders war es nur ausnahmsweise, in einer Wilmersdorfer Wahllokal in der Nähe des Ludwigkirchplatzes zum Beispiel. Dort standen die Leute nach dem Gottesdienst im Wahllokal an. Am meisten Abstimmungsberechtigte beteiligten sich in Steglitz-Zehlendorf (40,6 Prozent), die wenigsten in Marzahn-Hellersdorf (21,6 Prozent).

Dabei hatten die Befürworter und die Gegner des Wahlpflichtfachs Religion bis zur letzten Minute für ihre Ansicht geworben. In Gottesdiensten wurden die Besucher gebeten, zur Abstimmung zu gehen. In einer katholischen Kirche stellten Kinder brennende Kerzen zur Lichterkette auf, um den Gläubigen den Weg zur Abstimmung zu weisen. Die Befürworter des Wahlpflichtfachs Religion hatten vor allem in den Ostberliner Bezirken noch einmal kräftig mobilisiert und Schilder mit der Aufforderung, „zur Wahl“ zu gehen und „mit Ja“ zu stimmen. Noch einmal waren die Gefühle sogar mancher Christen in Wallung geraten – gegen Pro Reli. Mancher fühlte sich belästigt, zumal die Bischofsbriefe kamen nicht bei einigen nicht so gut an. Nach Angaben der Polizei kam es aber am Wahltag zu keinen Zwischenfällen.

Davon abgesehen ist und bleibt Berlin Single-Metropole. Pro Reli oder pro Ethik – das war eben doch ein Thema für Eltern mit schulpflichtigen Kindern, wenn die nicht ohnehin an diesem schönen Sonntagmorgen andere Interessen als einen Spaziergang zum Wahllokal hatten. Sogar in der CDU-Fraktion, die am Sonntagmittag ihren Jahresempfang in der Kalkscheune gab, war die Stimmung nicht überbordend-erwartungsvoll. Rund 612 000 Ja-Stimmen - das traute man der Initiative bei aller Begeisterung für deren Engagement dann doch nicht zu. Bereits nach Auszählung von rund 45 Prozent der Stimmbezirke war es für PRo Reli unmöglich geworden, die notwendige Mindestzahl der Stimmen zu erreichen. Nach Angaben des Landeswahlleiters hatten zu diesem Zeitpunkt bereits 141 490 Berliner mit „Nein“ votiert oder ihren Stimmzettel ungültig gemacht.

Walter Momper (SPD), Schirmherr des Bündnisses Pro Ethik, sagte am Abend, es sei vorher schwer einzuschätzen gewesen, wie die Beteiligung ausfallen werde. Da nur wenige Menschen zur Abstimmung gegangen seien, gebe es aber auch keine realistische Zahl der Neinsager. „Denn die, die dagegen sind, sind zu Hause geblieben“, sagte Momper. Es sehe somit klar danach aus, dass Ethik als verbindliches Fach erhalten bleibe. „Und das finde ich auch gut.“ Aber die Kirchen müssten jetzt sehen, wie sie mit den Folgen klarkommen, die daraus entstanden seien, dass sie sich an eine Kampagne der CDU und FDP angehängt hätten. Das werde bei der Betrachtung der Kirchen durchaus eine Rolle spielen.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bezeichnete das Ergebnis des Volksentscheids als „eindeutiges Votum“. Lediglich rund 14 Prozent der Wahlberechtigten hätten für Pro Reli gestimmt, alle anderen mit Nein oder sie seien der Abstimmung ferngeblieben, sagte Wowereit am Abend.

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