Von Lars Hartfelder: Wenn der Kaufmann dreimal hupt
Rollende Supermärkte schließen Versorgungslücken auf dem Land / Seit 1992 ist Bernd Kasprick unterwegs
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Luckau - Die Straßen sind menschenleer. Auch fahrende Autos stören die ruhige, ländliche Idylle im Luckauer Ortsteil Görlsdorf (Dahme-Spreewald) nicht. Doch plötzlich biegt ein großer Bus um die Kurve und hupt dreimal laut. Kaspricks rollender Supermarkt macht in der 700-Seelen-Gemeinde Halt. Die Mitteltür des alten Linienbusses öffnet sich, Fahrer Bernd Kasprick stellt einen kleinen Hocker vor die erste Stufe.
Erika Drillisch (68) wohnt nur wenige Meter entfernt und marschiert mit zwei Taschen in der Hand langsam herüber. Die Rentnerin ist auf die mobile Verkaufsstelle angewiesen. „Ich kann nicht mehr so weit laufen, ohne den Markt wäre ich aufgeschmissen“, erzählt sie. „Hier bekomme ich alles, was ich brauche.“ Bernd Kasprick hilft der Seniorin in den Bus. Seit 1992 ist er mit einem mobilen Supermarkt unterwegs. Gemeinsam mit seiner Frau, die sich um Verwaltung und Einkauf kümmert, tourt er in Südbrandenburg über die Dörfer. Rund 2000 Artikel von Brot, Butter und Milch über Obst bis hin zu Getränken und Zeitungen hat der fahrende Markt im Angebot.
Mit einem kleinen Stützroller fährt Waltraut Graßmann (75) über den Bürgersteig in Richtung Bus. Begleitet wird sie von ihrer Tochter. Jede Woche unterstützt Eleonore Liebe ihrer Mutter beim Bummel durch den mobilen Supermarkt. „Für meine Mutter ist das Einkaufen enorm wichtig, dadurch behält sie ihre Selbstständigkeit und ihr Selbstwertgefühl.“ Die leicht höheren Preise gegenüber normalen Discountern nehme sie dafür gern in Kauf.
Während der Adventszeit laufe das Geschäft zwar besser als in den anderen Monaten, sagt Bernd Kasprick, doch insgesamt habe die Käuferzahl erheblich abgenommen. „Viele meiner Stammkunden sind in den vergangenen Jahren verstorben“, stellt er nüchtern fest. Neue kämen nur wenige hinzu. Für sein Familienunternehmen bedeutet das in Zukunft längere Routen und weniger Kunden. Während früher teilweise bis zu 30 Senioren an einer Haltestelle einkauften, seien es heute manchmal nur ein oder zwei. „Aber ich halte trotzdem“, sagt Bernd Kasprick. „Die Menschen sind dankbar, weil sie ihre Eigenständigkeit behalten können.“ „Kurz nach der Wende hat der Konsum im Dorf geschlossen“, erzählt Christel Laugsch (68). Seit einigen Jahren nutze sie den mobilen Verkaufsshop. Zwar könne ihr Mann noch Auto fahren, doch finde sie sich in den großen Supermärkten kaum noch zurecht. „Hier ist alles kleiner und übersichtlich angeordnet“, sagt die Rentnerin. Die Preise seien auch nicht überzogen.
Bernd Kaspricks kennt alle seiner Kunden persönlich. Von den meisten habe er auch eine Telefonnummer, um Bescheid sagen zu können, falls er sich einmal verspäte oder die Tour ausfallen muss. Rund 400 Kilometer legt er während einer Woche zurück. Zeit für große Pausen bleibt Bernd Kasprick da nicht. „Pünktlichkeit ist wichtig, die Kunden sollen nicht warten.“ In Deutschland sind nach Schätzungen von Hans-Heinrich Lemke, Vorsitzender des Fachverbandes Mobile Verkaufsstellen, rund 1800 rollende Supermärkte unterwegs.
Für viele Senioren, Menschen mit Behinderungen und „Hartz-IV“-Empfänger, die sich kein Auto leisten können, seien die Läden oft die einzige Möglichkeit, etwas einzukaufen. „Mobile Verkaufsstellen schließen Versorgungslücken auf dem Lande“, sagt Lemke. Die Qualitätskontrolle führen die Lebensmittelüberwachungsämter der Landkreise durch. Um die Angebote weiter zu optimieren und zum Erfahrungsaustausch für die Händler organisiert der Verband im kommenden April in Potsdam eine Tagung.
Lars Hartfelder
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