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Brandenburg: „Wir sind nicht umgefallen“

Peer Jürgens, hochschulpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag zur Lausitz-Fusion

Stand:

Herr Jürgens, die Linke-Fraktion ist von ihrer anfänglich eher kritischen Position gegenüber der geplanten Hochschulfusion in der Lausitz abgerückt. Wie kam es zu dem Sinneswandel?

Ablehnend war unsere Haltung nie. Wir hatten den Fusionsvorschlag von Wissenschaftsministerin Sabine Kunst kritisiert und mit Skepsis begleitet. Wir hatten Bedenken vor allem hinsichtlich der Kommunikationsform der Ministerin. Die Fusion als beschlossen zu verkünden, ohne eine breite Diskussion dazu, das war falsch. Wir haben der Neugründung einer Hochschule, hervorgehend aus der der BTU Cottbus und der Hochschule Lausitz, grundsätzlich zugestimmt. Mit dem Gesetzentwurf dazu, der nun im Landtag diskutiert wird, sind wir allerdings noch nicht zufrieden.

Ist die Linke ist in der Frage Hochschulfusion umgefallen?

Nein, sicher nicht. Wir haben uns einerseits von den Argumenten der Ministerin überzeugen lassen. Andererseits haben wir aber auch eine ganze Reihe an Verbesserungen erreicht, etwa am Gesetzentwurf. Der sah beispielsweise vor, dass ein neuer Präsident ohne Mitsprache der neuen Hochschule eingesetzt werden kann. Wir haben nun erreicht, dass der Gründungspräsident im Einvernehmen mit dem Senat bestellt werden muss. Die Hochschule hat nun also ein starkes Mitbestimmungsrecht. Wir haben auch verlangt, dass beide Hochschulen nun gleichberechtigt am Tisch sitzen. Vorher sollte der Senat nach Mehrheitswahlrecht zusammengesetzt werden. Dabei wäre die kleine Fachhochschule zu kurz gekommen. Jetzt wird der Gründungssenat paritätisch besetzt.

Es gibt Stimmen, die der Linken vorwerfen, aus Angst vor einem Koalitionsbruch der SPD Zugeständnis zu machen.

>Das sehe ich in diesem Fall nicht so. Wie gesagt haben wir viele linke Positionen in den ganzen Prozess mit hinein verhandelt. Wir haben zum Beispiel auch das Thema Semesterticket überhaupt erst auf die Agenda gebracht. Nicht beide Studierendenschaften in der Lausitz haben das Semesterticket. Die Frage war nun, was im Fall einer Fusion geschieht. Ich denke auch nicht, dass das Thema Hochschulen einen Koalitionsbruch provozieren würde.

Was hat Ihre Fraktion dazu bewogen, dem Vorschlag doch zuzustimmen?

Das hatte mehrere Gründe. Erstens wollten wir für die Beschäftigten eine Sicherheit haben. Nicht nur für die wissenschaftlichen Mitarbeiter, wie von Ministerin Kunst angedacht, sollte es Beschäftigungsgarantien geben, sondern auch für die Mitarbeiter der Verwaltung. Es geht um eine langfristige Sicherheit. Die Vereinbarung der Ministerin mit den Gewerkschaften als Zusicherung war uns dafür sehr wichtig. Wir haben gesagt, dass wir nur zustimmen, wenn die Beschäftigten gesichert sind. Dann haben wir zudem als Koalition noch einmal 3,7 Millionen Euro in die Hand genommen, um den Umbauprozess zu begleiten. Das ist Geld für Qualifizierungsmaßnahmen, Weiterbildungen, Fahrtkosten und ähnliche Dinge. Auch unsere Forderung nach mehr Geld für zusätzliche Aufgaben wie neue Studiengänge und das geplante College wurde erfüllt.

Zwei Expertenkommissionen des Landes hielten eine Fusion für nicht nötig.

In der Analyse sind sich alle einig. Die Emmermann-Kommission kam zu sehr bedenklichen Befunden: Von kein Kooperationswillen über Abgrenzungsabsichten zwischen den Hochschulen bis zu mangelhafter Profilierung. Das sind für einen Landespolitiker alarmierende Ergebnisse. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass eine langfristige Kooperation eine Variante wäre. Ich denke auch, dass ein von unten Zusammenwachsen nicht verkehrt gewesen wäre. Aber die Ministerin konnte glaubhaft machen, dass sie nicht mehr erwartet, dass nach vielen Jahren Stillstand nun ein selbstständiges Zusammenwachsen einsetzt. Das konnte unsere Fraktion dann auch nachvollziehen.

Sie haben immer wieder den Kontakt zur Volksinitiative gesucht, die 42 000 Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt hatte. Was sagen sie denen nun?

Der Erhalt der Hochschulen war nur eine von fünf Forderungen der Initiative. Davon hat die Koalition drei erfüllt, auch auf Druck der Volksinitiative hin.

Welche?

Zum einen die Hochschulfinanzierung durch Hochschulverträge, der Erhalt der Studienplätze und die Frage der Hochschulentwicklung, die noch Anfang Dezember durch das Ministerium vorgelegt werden soll. Bei einem Punkt sehe ich das Ministerium noch in der Pflicht: in der Frage der Mitbestimmung der Betroffenen. Hier erwarte ich ein ganz klares Signal der Ministerin. Ich teile die Forderung der Volksinitiative, die Mitarbeiter der Hochschulen in die Planungen stärker einzubeziehen.

Am kommenden Mittwoch findet die Anhörung dazu im Landtag statt.

Wir werden sehen, ob es dann von den Experten noch Änderungsvorschläge für das Gesetz gibt. Die werden wir dann gegebenenfalls mit der SPD verhandeln. Ziel ist es, dass der Gesetzentwurf im Januar verabschiedet wird.

Wie schätzen Sie die Chancen dazu ein?

Da Rot-Rot eine Mehrheit hat, sehe ich keine Probleme. Es gibt auch Signale von der FDP und den Grünen, dass sie sich nicht gegen das Vorhaben positionieren wollen. Die spannende Frage wird dann sein, wie nach dem Gesetzbeschluss die weitere Entwicklung der Fusion moderiert wird.

Der bisherige Lausitz-Beauftragte Thomas Grünewald hat seine Aufgabe beendet.

Der ganze Prozess wird mindestens noch ein halbes Jahr brauchen. Dafür muss ein weiterer Beauftragter eingesetzt werden, der den Prozess vor allem vor Ort begleitet. Das kann nicht die Ministerin machen.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

Peer Jürgens ist hochschulpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag Brandenburg und Mitglied des Wissenschaftsausschusses. Seit 2004 ist er Abgeordneter

im Landtag.

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