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Scholl-Prozess: „Zwischenmenschliche Gemeinheiten“

Sie wirkte an einem Buch mit autobiographischen und intimen Details des den Ex-Bürgermeister von Ludwigsfelde mit. Jetzt ist die Verlegerin aus Köln eine wichtige Zeugin im Mordprozess gegen Heinrich Scholl.

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Potsdam - Im Mordprozess gegen Heinrich Scholl hat eine Zeugin weitere wichtige Details über den Ex-Bürgermeister von Ludwigsfelde geliefert. Die Große Strafkammer des Potsdamer Landgerichts hatte eine 51 Jahre alte Verlegerin aus der Nähe von Köln in den Zeugenstand geladen. Die Autorin hatte wesentlich an einem autobiografischen Buch des Angeklagten mitgewirkt, weshalb sich das Gericht durch ihre Aussage weitere Details für die Beziehung zwischen Scholl und seiner getöteten Ehefrau erhoffe.

Der 69-Jährige ist angeklagt, Ende 2011 seine Frau umgebracht zu haben. Da Scholl zu den Vorwürfen schweigt und seine Verteidiger zu Prozessbeginn erklären ließ, dass er die Tat nicht begangen habe, ist die Kammer auf Erkenntnisse und Aussagen in einem langwierigen Indizienprozesses angewiesen.

Die Verlegerin war Scholl behilflich, eine Liebesgeschichte zu veröffentlichen. „Es ist ein Teil seiner eigenen Geschichte, die ihm wichtig war und über deren Ende er nicht hinweggekommen ist“, sagte die Autorin. Das Buch sollte nach ihren Worten eine Möglichkeit sein, das Erlebte festzuhalten. Scholl habe ihr ein handschriftliches Manuskript übergeben, dessen intime Details sie als unpassend für eine Veröffentlichung empfunden habe. Als Ghostwriter habe sie aus Scholls Notizen mit philosophischen Gedanken eine Handlung mit fiktiven Dialogen entwickelt. Darin kommt auch das Verhältnis zwischen Scholl und seiner Ehefrau zum Ausdruck, das die Verlegerin selbst als totgelaufen wahrgenommen habe. Wörtlich ist in dem Buch von „alltäglichen Lieblosigkeiten“ und „zwischenmenschlichen Gemeinheiten“ die Rede, die „proportional zu den Ehejahren“ zunehmen würden. In der Affäre, die Scholl in seinen Aufzeichnungen reflektiert, habe er Zuneigung und Liebe gefunden.

Von der Kontaktaufnahme zwischen Scholl und der Verlegerin bis zur Veröffentlichung des Buches habe es fünf Jahre gedauert. Scholl habe immer wieder Änderungen und Korrekturen gewünscht, sodass nach Aussage der Verlegerin von ihrer Arbeit wenig übrig geblieben und letztlich doch viel von dem ursprünglichen Manuskript erschienen sei. Erschienen sei das Buch Ende 2011 in einer Auflage von 250 Exemplaren. Wie die Autorin weiter ausführte, habe sie zu Scholl ein enges und vertrauensvolles Verhältnis entwickelt. Sie habe ihn als ruhigen Mann kennengelernt, der ihr gegenüber seine Eheprobleme nicht verschwiegen habe, aber in einem Telefonat zwischen Scholl und dessen Frau einen respektvollen und freundlichen Umgang wahrgenommen habe.

Eine wichtige Passage in dem Buch, die nach der Verhaftung Scholls und während des Prozesses wiederholt in den Medien zitiert wurde, stamme nicht aus Scholls, sondern aus ihrer Feder, sagte die Zeugin. In dem entsprechenden Abschnitt des Buches fragt der Protagonist der beschriebenen Handlung seinen fiktiven Gesprächspartner sinngemäß, ob er schon einmal an Scheidung gedacht habe. Der antwortet: „An Scheidung nicht, an Mord schon“. „Scholl wäre nie auf die Idee gekommen, solch einen Satz zu schreiben“, sagte die Verlegerin.

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