Landeshauptstadt: 103 Jahre alter Zeitzeuge
Zirkel schreibender Senioren feierte Jubiläum
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Eine der Geschichten, die Wilhelm Hamann im Senioren-Schreibzirkel „Zeitzeugen“ verfasst hat, beginnt so: „Es muss im Sommer 1913 oder 1914 gewesen sein, als ich mit meinen Eltern und den beiden Schwestern eine Bahnreise von Forst nach Berlin gemacht habe.“
Sommer 1913? Doch, die Geschichte wurde aus eigenem Erleben geschrieben, denn Hamann ist 1903 geboren und jetzt 103 Jahre alt. Als der Zirkel gestern Nachmittag im Treffpunkt Freizeit sein zehnjähriges Bestehen feierte, wurde der älteste Potsdamer von der Sozialbeigeordneten Elona Müller und dem Vorsitzenden des Seniorenbeirats der Stadt, Wolfgang Puschmann, besonders herzlich beglückwünscht.
Der gelernte Kaufmann, lange Jahre Leiter einer Einkaufs- und Liefergenossenschaft des Handwerks, teilte dabei gleich mit, dass er auch in der vor der Veröffentlichung stehenden neuen Anthologie der „Zeitzeugen“ mit eigenen Kurzerzählungen vertreten sein wird. Es ist übrigens seit 1998 schon der neunte Sammelband, den der jetzt von Karl Kreutz (79) geleitete Zirkel mit Hilfe der DRK-Behindertenwerkstatt drucken lässt. Die schreibenden Senioren, derzeit sind es zehn, schildern meist eigene Erlebnisse aus Kindheit und Jugend, so in den von Hunger und Not geprägten, aber dennoch nicht freudlosen Nachkriegsjahren. Diese Erinnerungen bringen sie jungen Leuten nahe – einmal durch öffentliche Lesungen, zum anderen aber auch durch einen Band „Erlebnisse haben keine Altersgrenze“, den sie gemeinsam mit der Voltaire-Gesamtschule herausgegeben haben und der Texte sowohl von den „Zeitzeugen“ als auch von Schülern enthält.
Bevor die Geschichten freigegeben werden, wird in der Begegnungsstätte Asta-Nielsen-Straße, wo sich der Zirkel regelmäßig trifft, oft heiß über manche Formulierung debattiert. Denn wenn die Senioren sich auch nicht als Profi-Schriftsteller fühlen, Hand und Fuß und literarische Qualität sollen die Texte doch haben. Wie sorgfältig sie geschrieben sind und wie hartnäckig an ihnen gefeilt wird, erwies sich in der kleinen Lesung neuer Geschichten, die gestern in die Jubiläumsfeier einbezogen war. Das konnte auch Mike Schubert bestätigen, der als Vorsitzender der SPD-Stadtfraktion daran teilnahm.
An der Kaffeetafel schwelgten dann die „Zeitzeugen“, von denen einige von Anfang an dabei sind, mündlich in Erinnerungen. Den Anstoß zur Bildung des Zirkels hatte 1997 übrigens der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe geben, um Erfahrungen und Erlebnisse der älteren für die nachfolgenden Generationen festzuhalten. E. Hoh
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