Landeshauptstadt: 120. „Großbombe“ entschärft
Evakuierung lief ohne größere Zwischenfälle / Ab Mittag rollte der Verkehr wieder / Aktueller Stand der Munitionssuche unklar
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Zentrum-Ost - Um 11.56 Uhr war der Fall erledigt. Manuel Kunzendorf vom Staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst konnte per Handy von einer Baugrube auf dem Gelände der Kita „Sonnenschein“ im Hans-Marchwitza-Ring Entwarnung geben. Soeben hatte er in dem 4,20 Meter tiefen Loch die 120. Potsdamer „Großbombe“ seit der Wende unschädlich gemacht. „Der Zünder war labil“, erklärte er Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), aus dessen Händen er den üblichen Präsentkorb mit Sekt und Schokolade erhalten hatte. „Wenn der Bagger richtig draufgeschlagen hätte, wäre sie hochgegangen.“ Am Dienstag war der 250-Kilogramm-Sprengkörper bei der planmäßigen Munitionssuche entdeckt worden, gestern war ihm Kunzendorf mit „Hand und Zange“ zu Leibe gerückt.
Für die Entschärfung hatten rund 7000 Menschen den Sperrkreis verlassen müssen, ganz Zentrum-Ost war evakuiert worden. Rund 230 Verwaltungsmitarbeiter patrouillierten ab 7.30 Uhr durch das Gebiet und kontrollierten die Räumung, die weitgehend störungsfrei ablief. Lediglich eine ältere Frau habe sich geweigert, ihre Wohnung zu verlassen und Herzprobleme als Grund angegeben, was sich aber als haltlos herausgestellt habe, sagte Jakobs. Sie wurde ins Bürgerhaus am Schlaatz gebracht, dem offiziellen Ausweichquartier für die von der Evakuierung Betroffenen. Vier Mitarbeiter des Gesundheitsamtes versorgten dort die Wartenden mit Tee, Kaffee und Schnittchen. Vor allem ältere Menschen hatten das Bürgerhaus aufgesucht, viele hatten schon Erfahrung mit der Situation.
„Wir mussten schon ungefähr zehn Mal wegen einer Bombe aus der Wohnung raus“, sagte Rolf Otto. Er und seine Frau Inge waren 1974 ins Zentrum-Ost gezogen. Zum ersten Mal traf es sie, als die Humboldtbrücke gebaut wurde, auch damals gab es einen Bombenfund. Die letzten Großevakuierungen haben sie alle mitgemacht, selbst jene, als die Blindgänger auf dem Klinikums-Gelände gefunden worden waren.
31 gehunfähige oder bettlägerige Menschen wurden vorübergehend in einer Turnhalle am Bisamkiez untergebracht, den Transport übernahm die Feuerwehr. 40 Kameraden hatte Feuerwehr-Chef Wolfgang Hülsebeck zum Bombendienst abkommandiert, außerdem waren 50 Polizisten im Einsatz.
Während der Entschärfung waren Zug- und S-Bahn-Verkehr zum Hauptbahnhof unterbrochen, auch die Straßenbahnen nach Babelsberg fuhren nicht. Die Humboldtbrücke und ein Teil der Nutheschnellstraße waren ebenfalls gesperrt. Um kurz nach 12 Uhr gab die Stadtverwaltung den Verkehr wieder frei.
Mit der systematischen Kampfmittelsuche hatte die Stadt vor zwei Jahren begonnen – Priorität genießen dabei Schulen und Kitas, doch überall, wo gebaut wird, fahndet man auch nach Bomben. Bis alle Blindgänger in Potsdam entdeckt und entschärft worden sind, werden noch Jahre ins Land gehen. Der letzte Stand stammt von Ende 2008. Damals hatte Ordnungsamtschefin Marina Kluge erklärt, man habe etwa die Hälfte des Kriegserbes aus dem Boden geholt. Aktuelle Zahlen zu liefern sah sich die Stadtverwaltung gestern außerstande. Peer Straube
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