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Landeshauptstadt: 140 Fahrten ohne „Pappe“

Norbert N* hat noch nie Lkw-Führerschein besessen und fährt doch quer durch Deutschland

Stand:

Einen Führerschein für Pkws besaß Norbert N.* (40). Der wurde ihm allerdings bereits 1995 – schon während der Probezeit – wegen Raserei entzogen. Manchmal fuhr der Potsdamer trotzdem, und wurde prompt erwischt. Ans Steuer eines Lkw hätte er erst recht nicht gedurft. Dennoch – so die Anklage vor Gericht – chauffierte der gelernte Kfz-Mechaniker zwischen April und Oktober 2007 in 140 Fällen eine Laster samt Anhänger im Auftrag seines Arbeitgebers quer durch Deutschland. Zwei Jahre und drei Monate solle der vielfach einschlägig Vorbestrafte, zudem unter vierfacher Bewährung Stehende dafür hinter Gitter, befand die Staatsanwältin. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Reinhild Ahle verhängte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, setzte die Sanktion zu vierjähriger Bewährung aus.

„Ich war als Schlosser tätig. Dann wurde ich nicht mehr gebraucht. Der Job als Lkw-Fahrer war die einzige Möglichkeit, Geld für meine Familie zu verdienen“, erzählte Norbert N. „Meine Frau war auch arbeitslos. Vom Amt kam ewig kein Geld. Wir waren schon mit der Miete im Rückstand. Die Zwangsräumung drohte, der Strom wurde uns abgestellt. Wenn das Jugendamt davon erfahren hätte, hätte es uns die beiden Kinder weggenommen“, vermutete der kräftige Mann. Dann kullerten bei ihm die Tränen. „Irgendwie musste ich doch für die laufenden Kosten aufkommen.“ Ohne groß nachzudenken habe er zugegriffen, seinem Chef versichert, die nötige Fahrerlaubnis zu besitzen. Der habe ihm geglaubt. Sonntagabends ging es vom Babelsberger Firmensitz los, Freitag war Norbert N. wieder Zuhause. Monatelang klappte alles gut. Dann geriet er in eine Routinekontrolle der Polizei.

Inzwischen ist Norbert N. in einem anderen Betrieb als Baggerfahrer tätig. Eine Fahrerlaubnis braucht er für diese Tätigkeit nicht. Er wurde sogar als Bauleiter eingesetzt. „Lkw will ich nie wieder fahren, aber Pkw schon“, erklärte der Angeklagte in seinem letzten Wort. „Irgendwann benötige ich sicher wieder einen Führerschein.“

Das sah das Gericht ebenso, verzichtete deshalb auf das Verhängen einer mehrjährigen Führerscheinsperre, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt. „Sie sind kein Schwerkrimineller. Aber Fahren ohne Fahrerlaubnis ist auch eine Straftat“, stellte die Vorsitzende klar.

Damit Norbert N. künftig gesetzestreu durchs Leben geht, muss er dem Gericht nachweisen, dass er sich „nach besten Kräften“ um die Wiedererteilung seiner Fahrerlaubnis für Pkws bemüht. Dazu muss er die medizinisch-psychologische Untersuchung, den so genannten Idiotentest, bestehen, was schwierig und teuer ist. Zudem hat er die theoretische und praktische Fahrprüfung noch einmal zu absolvieren. Hoga

(*Name von der Redaktion geändert.) 

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