
© M. Thomas
Landeshauptstadt: 1746 holte der König „60 Citrus“ nach Sanssouci
Seit 200 Jahren im Mai wiederkehrendes Spektakel: das Ausfahren der Orangerie
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Die 84 jungen Pomeranzenbäumchen für die Sanssouci-Terrassen haben den Winter gut überstanden. Darüber freute sich Orangeriechef Hartmut Hiller, als er gestern vor einem großen Publikum das traditionelle „Ausfahren“ der Kübelpflanzen eröffnete. Die zarten Zitrusgewächse haben es bei starker Sonneneinstrahlung und Wind auf den Terrassen nämlich schwerer als die robusten Lorbeeren, die bis vor wenigen Jahren hier standen.
Doch der Wechsel war gewollt, erläuterte Gartendenkmalpflegerin Katrin Schröder während ihrer Führungen. Mit dem Aufstellen der Zitrusgewächse kehrte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten zu den Ursprüngen zurück. Ein Pflanzeninventar aus dem Jahr 1746 verzeichnet die Lieferung von „60 Citrus". Damals war die Treppenanlage noch in Bau. 1748 werden Orangeriegewächse des Potsdamer Stadtschlosses, die nach Charlottenburg ausgelagert worden waren, nach Sanssouci gebracht. Außerdem lässt der König schon prachtvoll entwickelte Zitrusgewächse aus schlesischen Herrensitzen holen. Dazu hatte er sich 1740 im ersten Schlesischen Krieg, in dem er die Provinz eroberte, gründlich umgesehen. Ob die Adligen ihre teuren Orangerien wirklich als „Geschenk" an den Hof in Potsdam gaben, wagt Katrin Schröder deshalb zu bezweifeln. Aus dem Pomeranzensaft wurde übrigens mit Wein gemischt ein „Kardinal" genanntes Getränk hergestellt, das Heilkraft besaß. Der frühere Gartendirektor Michael Seiler soll diesen Trunk noch heute zu Hause brauen.
Zu einem Anziehungspunkt des Orangerienachmittags wurde wieder der Stand des Böttchers Uwe Schubert aus dem sächsischen Pirna. Seit Anfang der 1990er Jahre beliefert der Handwerksbetrieb die Potsdamer Stiftung mit seinen Pflanzenkübeln aus massivem Eichenholz. Der bisher größte hatte einen Durchmesser von 1,50 Metern. Wer sich ein Stück Sanssouci auf die Hausterrasse zaubern möchte, kann die Dienste des Böttchers in Anspruch nehmen. Als Maßanfertigung liefert er das gewünschte Stück rund oder viereckig, naturfarben mit ökologischer Öllasur, grün, weiß oder rot gestrichen an den Besteller.
Die gewohnt muntere Eröffnung mit Signalblasen auf einem Gießkannenhals ließ sich Hartmut Hiller nicht nehmen. Die Moderation übertrug der langjährige Orangeriechef, der nächstes Jahr in den Ruhestand geht, diesmal aber weitgehend seinem Gärtnerkollegen Thilo Seeger, der als Nachfolger gehandelt wird. Nach mehr als 40 Jahren hat es Hiller geschafft, den Bestand an exotischen Kübelpflanzen wieder auf 1000 Exemplare zu bringen – eine Rekordzahl, die nur einmal Mitte des 19. Jahrhunderts unter König Friedrich Wilhelm IV. erreicht worden war.
Knapp drei Wochen wird es dauern, bis wieder alle Kübelpflanzen auf ihren vorbestimmten Plätzen die Parkbesucher erfreuen. Dazu zählen neben den 50 bis zu 140 Jahre alten und bis zu 7,50 Meter hohen Phönixpalmen, Dattel-, Hanf und Zwergpalmen unter anderem 200 Lorbeeren, 100 Zitrusbäume, 25 echte und 30 aus Australien stammende Scheinmyrthen, Granatäpfel, Oliven und die brasilianische Kletra, deren Blüten Maiblumen ähneln. Gestern wurden dafür neben modernen auch historische Transportwagen eingesetzt, denn die Ausfahrt findet alljährlich im Mai schon seit Friedrichs des Großen Zeiten statt. E. Hohenstein
E. Hohenstein
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