Links und rechts der Langen Brücke: 20 000 im Café Heider
Guido Berg findet, in der Boomtown Potsdam sollten nicht nur Wohnungen geplant werden, sondern auch Begegnungsorte
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Potsdams Bevölkerung wird bis 2030 um 20 000 Neupotsdamer anwachsen. Intensive Überlegungen und Aktivitäten unternimmt die Stadt in der Frage, wo all diese Mitbürger wohnen sollen. 1000 neue Wohnungen pro Jahr stehen auf dem Plan, es werden alle Anstrengungen unternommen, diesen auch zu erfüllen. Die Priorität bei der Erarbeitung der Bebauungspläne wird bestimmt durch die Anzahl der geplanten Wohneinheiten. Kaum aber ein Gedanke wird darauf verschwendet, wo sich 2030 die dann 178 000 Potsdamer treffen und einen Kaffee trinken sollen. Kommen alle ins Café Heider? Das wird nicht funktionieren, zumal die Zufahrtsstraßen in die Innenstadt schon jetzt überlastet sind. Kurzum, die Stadt Potsdam steht vor der Herausforderung, neben den städtischen Zentren in der Innenstadt und in Babelsberg weitere kleine Unterzentren zu schaffen – kleine Ladenzeilen mit Bäcker, Zeitungsshop, Apotheke, Italiener (gern auch Grieche oder Chinese) und womöglich auch einer Sparkassen-Filiale. Bisherige Planungen sehen wenig dergleichen vor. Lediglich die ersten Neubauten an der Georg-Hermann-Allee im Entwicklunggebiet Bornstedter Feld – errichtet schon vor über zehn Jahren – weisen Läden im Erdgeschoss auf. Ansonsten heißt es in Potsdam immer nur: Wohnungen, Wohnungen, Wohnungen. Die Stadt folgt da freilich gern den Investoren, die wissen, was wie geschnitten Brot geht in der Boomtown Potsdam: Es sind Wohnungen. Wenn in der Stadtpolitik bislang über Infrastruktur gesprochen wurde, dann ausschließlich über Schulen, Kitas und Verkehrsanlagen, die Pflichtaufgaben der Kommune. Doch das ist längst nicht alles, was eine Stadt ausmacht, wie jeder weiß, der gern durch die historische Innenstadt spaziert und vor dem Nauener Tor eine Latte Macchiato trinkt. Potsdam steht vor der Herausforderung, sich in Eiche und Golm, im Bornstedter Feld, in Fahrland und Krampnitz oder in Groß Glienicke – den großen Wohnungsbaupotenzialen – als Stadt neu zu erfinden, nicht nur als Vorstadt. Zwar hat der Typus der Vorstadt, wie er als Sieger aus dem städtebaulichen Wettbewerb für das Bauareal Rote Kaserne West hervorging, unbestreitbare Qualitäten für seine Bewohner. Doch in Anlehnung an den Werbeslogan eines bekannten Möbelhauses muss künftig stärker beachtet werden: Menschen brauchen nicht Orte zum Wohnen, sondern zum Leben.
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