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Homepage: 260 000-fache Erdbeschleunigung

Die Wissenschaftler von Nanolytics liefern seit einem Jahr vom Golmer Go:In Analysen im Nano-Bereich

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Die Dinge, mit denen Nanolytics Geld verdient, kann Chef Kristian Schilling gar nicht sehen. „Wir dringen in Größenordnungen vor, die wir uns gar nicht mehr vorstellen können“, erklärt der Firmengründer. Messen kann man sie trotzdem – zumindest wenn man moderne Laborgeräte besitzt. Kolloidforschung heißt die Wissenschaft, die Schilling mit seinen drei Mitarbeitern betreibt. Es geht um kleinste Teilchen, um Nanotechnologie.

Da denken die meisten an winzige Chips und schnelle Computer. Schätzungsweise 95 Prozent der industriell genutzten Systeme liegen aber in disperser Phase vor, also in flüssiger Form, klärt Schilling das Missverständnis auf. Beispielsweise Lacke, Waschmittel oder pharmazeutische Wirkstoffe. Deren Eigenschaften werden nicht nur von der Art der Inhaltsstoffe bestimmt, sondern auch von deren Größe. Schilling erklärt das am Beispiel weißer Wandfarbe, die einen leichten Blaustich hat. „Da kann der Hersteller lange nach Fremdstoffen suchen, er wird keine chemische Verunreinigung finden.“ Denn nicht nur die stoffliche Zusammensetzung, sondern auch die Größe der Pigmente hat Einfluss auf die Farbe, den Glanz und die Deckkraft. Sind die Pigmente zu klein, schimmert das Weiß bläulich.

Der kolloidale Zustand der Materie ist bereits seit 150 Jahren bekannt, und obwohl Kolloide in zahlreichen industriellen Produkten schon seit langer Zeit enthalten sind, ist ihre Wirkungsweise, also die Verbindung zwischen ihren nanoskopischen Eigenschaften und denen des Endprodukts, oft wenig verstanden. Der Ansatz, durch gezieltes Einstellen der kolloidalen Eigenschaften Einfluss auf erwünschte und unerwünschte Produkteigenschaften zu nehmen, ist verhältnismäßig neu. „Wir versuchen zu verstehen, wie Kolloide eigentlich wirken“, sagt Schilling.

Nanolytics kann Messungen in solchen winzigen Größen durchführen. Viele Firmen können das noch nicht oder scheuen den Aufwand. „Das Interesse an der Kolloidforschung ist sehr groß, die Systeme sind allerdings kompliziert“, erläutert Schilling. Eine Spezialität seiner Firma ist die Analytische Ultrazentrifugation. Diese Methode nutzt Schwerefelder bis zum 260 000-Fachen der Erdbeschleunigung, um Gemische aufzutrennen und Größe, Masse, Dichte, Form und Wechselwirkungen zwischen den Partikeln oder Makromolekülen zu bestimmen. Damit ist die analytische Ultrazentrifugation eine der mächtigsten Messmethoden.

Doch damit gibt man sich bei Nanolytics nicht zufrieden. Weitere Methoden, die auf anderen physikalischen Prinzipien basieren, ergänzen das Bild. Diese betreibt Nanolytics entweder im eigenen Labor oder lässt sie von kooperierenden Unternehmen ausführen. Die wesentliche Kompetenz dabei sei ohnehin nicht die Messung, sondern die Interpretation der Ergebnisse. Dazu müssen sich Schilling und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter immer auf dem neuesten Stand der Forschung befinden. Täglich werden dafür aktuelle wissenschaftliche Paper aus dem Internet herunter geladen.

Und während die beiden Wissenschaftler sich weiter in neue Forschungsergebnisse vertiefen, kümmern sich die beiden zum Unternehmen zählenden Laborantinnen um die nächsten Messungen, die dann wieder auf dem Tisch ihres Chefs landen. „Wir unterscheiden uns stark von anderen Start-Up-Unternehmen, die drei Jahre lang ohne finanzielle Erträge forschen, um dann ein Produkt auf den Markt zu bringen und das große Geld zu verdienen. Wir sind ein Auftragslabor, verdienen zwar mit jeder Messung Geld – aber dafür nur eine kleine Marge“, erklärt Schilling. Somit trage sich die ohne Risikokapital finanzierte Firma seit ihrer Gründung vor sieben Jahren selbst. Damals saß man noch in Dallgow. Im November 2006 folgte der Umzug nach Golm. Schilling schätzt neben der für seine Firma idealen Laborausstattung vor allem die Nähe zum Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. Auch weil er dort promoviert hat. Heute berät er sich häufig mit den Fachkollegen über neue Messmethoden, Weiterentwicklungen an Messgeräten und Datenauswertung. „Das Umfeld hier in Golm ist sehr inspirierend“, sagt Schilling.

Das finden auch seine Mitarbeiter „Ich habe sie mitentscheiden lassen, wo wir unsere neuen Räume einrichten. Die Vorteile hier in Golm haben alle überzeugt. Nur eins kritisierten die Mitarbeiter regelmäßig – die schlechte Zuganbindung.

Bodo Baumert

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