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AUCH POTSDAM: 30-Schilder wieder abmontiert

Oberbürgermeister Jann Jakobs unternahm Wanderung durch Uetz-Paaren

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AUCH POTSDAMOberbürgermeister Jann Jakobs unternahm Wanderung durch Uetz-Paaren Von Winfried Gutzeit Uetz-Paaren - „Sie haben es wirklich schön hier, Potsdam kann stolz sein, dass Uetz-Paaren jetzt dazu gehört“, fasste Oberbürgermeister Jann Jakobs gestern seine dritte Stadtwanderung durch die neuen Ortsteile zusammen. Diesmal war wirklich Ausdauer vonnöten, denn Ortsteilbürgermeister Hans Becker hatte sich vorgenommen, dem Stadtoberhaupt den ganzen Ort zu zeigen. Und der besteht aus den Dörfern Uetz und Paaren, die beide im 14. Jahrhundert gegründet und 1961 zu einer Gemeinde zusammengefasst wurden. „Wir leben hier richtig in der Fläche, allein Uetz hat schon eine Ausdehnung von 13,1 Quadratkilometern“, berichtete Hans Becker. Doch zurück nach Paaren. Viele kennen nur dieses 250 Meter lange Stück Bundesstraße 273, wenn sie in Richtung Nauen oder Ketzin unterwegs sind, linkerhand liegt der große Lkw-Parkplatz mit der „Männerfalle“. „Die Straße ist eines unserer Hauptprobleme“, sagte Becker. Schon sein Vorgänger Gerhard Sokoll habe für eine Fußgängerquerung gekämpft, fand jedoch beim Landkreis Potsdam-Mittelmark wenig Gehör. Doch wie sollen die Kinder auf ihrem Schulweg über die Straße zur Bushaltestelle kommen? Dabei sei deutlich zu erkennen: Die meisten Autofahrer nehmen für die paar Meter nicht den Fuß vom Gas. „Zu DDR-Zeiten stand die Polizei mit ihrem Radar immer da hinten im Gebüsch, das war für die “ne richtige Goldgrube“, erinnert sich Sokoll. Das Gebüsch gehört zum großen Gutspark, der nach und nach und verwildert. Ebenso sieht das Gutshaus mit seinen zugenagelten Fenstern eher nach Abriss aus. Bis 1990 fanden hier ein Kindergarten, eine Arztpraxis und Wohnungen Platz. „Das Anwesen wird noch von der TLG verwaltet und demnächst an die Kommune übergeben“, weiß Sokoll. Ein anderes Problem ist das Baugebiet am Kirschweg. Uetz-Paaren hatte als eine der ersten Gemeinden des damaligen Landkreises Potsdam-Land bereits 1991 einen Flächennutzungsplan, in dem dieses Baugebiet – für etwa 100 Einwohner – enthalten ist. Keine einzige Behörde habe sich an diese Satzung gehalten, erläutert Sokoll, der damals Bürgermeister war. Auf ihre Baugenehmigungen haben die Paarener meist jahrelang gewartet. „Das ist alles BVVG-Land und liegt ungenutzt herum. Das geht Gas lang, da geht Wasser, lang, da geht Telefon lang, es ist voll erschlossen. Warum wird es dann nicht genehmigt?“, wundern sich der alte Bürgermeister. Die beiden Dörfer wurden zwar 1961 zu einer sozialistischen Gemeinde zusammengefasst, doch nahm man damals wenig Rücksicht auf historisch gewachsene Strukturen. Die Uetzer und die Paarener sind schon wegen der räumlichen Distanz immer für sich geblieben. Ein anderes Beispiel: Die Paarener Kirchgemeinde gehört zum havelländischen Kirchenbezirk. Pfarrerin Gesine Bertheau betreut die Kirchgemeinde mit ihren 43 Mitgliedern, alle drei Wochen wird ein Gottesdienst abgehalten. Die Kirche ist 230 Jahre alt und besitzt eine echte Schuke-Orgel. Damit stehe man aber nicht in Konkurrenz zu Kirchgemeinde Uetz, meint sie. Nur die Konstellation sei schon etwas skurril, denn Uetz gehört zum Kirchbezirk Belzig-Lehnin. Die Uetzer Kirche ist mit 400 Jahren knapp doppelt so alt, erläutert dort Pfarrer Hans-Jürgen Fiebeg. Er betreut die 110 Mitglieder dieser Kirchengemeinde. Sein Gotteshaus ist genau wie das in Paaren in den 60er Jahren unsachgemäß überholt worden, so langsam werden jetzt beide Gebäude wieder hergestellt. Eine Besonderheit hat die Uetzer Kirche: In der Ecke neben dem Chor steht ein großer gusseiserner Ofen aus Kaisers Zeiten. „Der reicht für unsere Gottesdienste völlig aus und nimmt alles, was brennt“, erläutert Pfarrer Fiebeg. Wenige Meter vor dem Autobahnring steht das Fährhaus. Der Fährbetrieb über die Wublitz florierte hier besonders, als Friedrich Wilhelm III. Paretz mit seiner neuen Schlossanlage regelmäßig besuchte. „Der Fischer, der den Dienst versah, hatte seine goldenen Tage; an Stelle der alten Fährmannhütte trat ein reizendes Haus im Schweizerstil“, stellte Theodor Fontane später fest. Das Gebäude steht heute noch, seine Funktion verlor es aber vor 100 Jahren, als der Weg nach Paretz ausgebaut und dabei ein Damm von der Nauener Landstraße nach Uetz geschüttet wurde. Nur die nahe Autobahn störe etwas, meint Becker. Denn der Ausbau auf sechs Spuren soll auf der Uetzer Seite erfolgen. „Und dann haben wir die Autos so richtig im Dorf.“ Auch die Uetzer plädieren für fußgängerfreundliche Regelungen. Die Schulkinder aus der Siedlung Uetz müssen ohne Fußweg zur Bushaltestelle laufen, und das bei zunehmenden Schwerlastverkehr in Richtung Ketzin. Was hier keiner versteht: Die Dorfstraße in Richtung Paaren, die gestern Baudezernentin Elke von Kuick-Frenz als Anliegerstraße einschätzte, wurde zuvor durch den Landkreis nicht für Tempo 30 anerkannt – man musste die Schilder wieder abmontieren. „Wir sollten uns in vier Jahren wieder hier treffen und feststellen, was tatsächlich geschafft wurde“, lud Hans Becker ein. Zuvor jedoch stellte er fest: „Herr Oberbürgermeister, Sie haben unterwegs ja wirklich gut zugehört.“ Ob das Fähr- und Fischerhaus in Uetz im Schweizerstil, wo vor 100 Jahren das Geschäft florierte, oder der Blick über die Felder in Paaren (m) oder die erst 230 Jahre junge Dorfkirche in Paaren (u) mit einer echten Schuke-Orgel oder das 400 Jahre alte Gotteshaus in Uetz mit einem Ofen aus Kaisers Zeiten: Der neue Ortsteil in Potsdams Norden ist für die Bewohner die vertraute Heimat – für Besucher immer einen Ausflug Wert. Fotos: Manfred Thomas

Winfried Gutzeit

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