zum Hauptinhalt
Das Modellfort vor seiner Zuschüttung 2004. Für Schlösserchef Dorgerloh gabs dafür den Goldenen Barbar.

© Manfred Thomas

Von Erhart Hohenstein: „300 Jahre Preußen“ sind vorbei

Der gleichnamige Verein beschloss in aller Stille seine Selbstauflösung

Stand:

Der Verein „300 Jahre Preußen“ besteht nicht mehr. In aller Stille beschlossen der Vorsitzende Markus Wilhelmy und die verbliebenen Mitglieder bereits vor einiger Zeit seine Selbstauflösung. Der Verein hatte auf Jahre hinaus das kulturelle Leben in Potsdam bereichert. Seit 2001 zeigte er in sonst leerstehenden Räumen des Bahnhofscenters Ausstellungen zu Preußenthemen und stadtgeschichtliche Expositionen, meist bestritten von dem Potsdamer Modellbauer und Postkartensammler Siegfried Lieberenz. Auch Kunstausstellungen, etwa des in Rehbrücke tätigen Bildhauers Alexander Agwanjan oder über das „Bollywood“ genannte indische Filmzentrum waren zu sehen. Das renommierte Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) der Bundeswehr zeigte hier seine Wanderausstellungen „Germania auf dem Meere“ über die Geschichte der deutschen Marine und „Wege zur Freundschaft“ zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen.

Über Jahre hinweg lud der Verein monatlich zu seinem „Preußischen Stammtisch“ ein. Bei zeitweise starker Resonanz sprachen namhafte Historiker und Schriftsteller über preußengeschichtliche Ereignisse. Auch stadthistorische Themen spielten eine Rolle. Im Vorjahr geriet der Stammtisch ins Wackeln. „Kamen viele Leute, waren die Referenten mäßig, waren die Referenten erstklassig, kamen kaum Leute“, sagt Wilhelmy sarkastisch. Nach zwei letzten Versuchen wurde die Veranstaltungsreihe eingestellt. Die Nutzung der Ausstellungsräume im Bahnhof hatte der Verein schon vorher verloren. „Preußen 300“ veranstaltete auch Feste und besaß eine Barocktanzgruppe, die ihn aber bereits 2006 verließ.

Letzter öffentlicher Höhepunkt der Vereinstätigkeit war 2007 die Auslobung des Satirepreises „Goldener Barbar“. Er zeigt einen vergoldeten Steinzeitmenschen, der auf einem Originalziegel des Stadtschlosses steht. Der Preis ging an „herausragende Kulturgutvernichter“. Erster Preisträger war Schlösserstiftungs-Generaldirektor Hartmut Dorgerloh wegen der Zuschüttung des Modellforts in Sanssouci. Fünf „Barbaren“ hat Wilhelmy noch im Schrank. Die könne er auch als Einzelperson verleihen. Seine Ambitionen könne er nun vielleicht besser verwirklichen als mit einem Verein, meint der Preußenfan aus dem Rheinland. Dessen Führung verlange hohes Engagement, das am Ende niemand danke.

Der Verein hatte das Ziel, den preußischen Staat als „mögliches Vorbild für heute unumgängliche Reformen“ zu begreifen und „preußische Tradition nicht nur zu erleben, sondern auch zu leben und nach heute zu übersetzen“. Dass er gescheitert ist, lässt Wilhelmy nicht gelten. Sein großer Erfolg bleibe, dass er in Potsdam eine „qualifizierte Preußendiskussion“ in Gang gesetzt habe.

Erhart Hohenstein

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })