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Bei den Dreharbeiten der neuen Telenovela „Julia – Wege zum Glück“ bleibt kein Auge trocken

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Bei den Dreharbeiten der neuen Telenovela „Julia – Wege zum Glück“ bleibt kein Auge trocken Die Szenerie wirkt bekannt. Das Studio ist in fein arrangiertes Kunstlicht getaucht. Die Kameras gleiten lautlos an ihre Positionen. Die Schauspieler werden ein letztes Mal geschminkt und es heißt „Achtung, wir drehen!“. Aber irgend Etwas fehlt. Eine Fanfare ertönt. Jemand ruft: „Maz läuft!“ und mit einem Mal wird es klar: Es gibt keine Klappe – kein „Julia trifft Tobias, die Dritte!“. Die gedrehten Szenen sind sehr lang. Schauspieler treten auf und gehen ab, während drei Kameras die Akteure abwechselnd ins Visier nehmen. Das ganze wirkt eher wie die Aufzeichnung einer Fernsehshow, denn wie ein Filmdreh. Tatsächlich, im speziell für die Anforderungen einer industriellen Filmproduktion umgebauten Tonkreuz des Studio Babelsberg entsteht derzeit die neue ZDF- Telenovela „Julia – Wege zum Glück“. Das Südamerikanische Sende- und Produktionsformat Telenovela wird hier auf eine in Deutschland noch ungewöhnliche Weise adaptiert. Auf 1500 Quadratmetern Studiofläche sind alle Innenmotive des neuen Melodramas aufgebaut. Kurze Wege zwischen den Motiven und Räumlichkeiten garantieren in Babelsberg einen schnellen Produktionsablauf. Ohne den wäre ein Drehpensum von rund 33 Minuten pro Tag im Studio nicht zu schaffen. Laut Regisseur Walter A. Franke: „Ein echter Marathon für alle Beteiligten“. Zum Vergleich: Für eine normale wöchentliche Serie werden pro Drehtag bis zu zehn Minuten produziert, ein Fernsehfilm kommt sogar oft nur auf drei bis vier Minuten fertigen Film pro Tag. Bei der Telenovela sind es, rechnet man die gleichzeitigen Außen- und Studiodrehs zusammen, insgesamt bis zu 42 Minuten. Diese Effizienz senkt die Herstellungskosten enorm. Dafür arbeitet die Produktionsfirma Grundy- UFA parallel mit je einem Drehteam für die Außen- und Innenmotive. Acht Regisseure wechseln sich während der 250 Folgen kontinuierlich ab. Jede Woche Studiodreh wird zwei Wochen lang vorbereitet. Jede Woche an den zwei Hauptaußenmotiven in Petzow und Kleinmachnow hat eine Woche Vorbereitungszeit. Um ein derartiges Pensum zu absolvieren müssen buchstäblich alle Rädchen ineinander greifen. „Von den Storylinern bis zur Postproduktion arbeiten alle Teammitglieder versetzt in einer Art „Kanon-Prinzip“: Während die Postproduktion die ersten Kapitel fertig stellt, schreiben die Autoren schon die Bücher für die nächsten Kapitel“, erklärt eine ZDF-Sprecherin die Vorgehensweise. Die Autoren müssten schon beim Drehbuchschreiben sämtliche Produktionsbedingungen, wie Masken- und Garderoben- oder Fahrtzeiten, im Auge haben um die Realisierbarkeit der Story zu gewährleisten. Dennoch sei „Julia“ keine Fließbandproduktion, stellt Chefautorin Petra Bodenbach fest. Im Gegenteil stecke in jedem Kapitel, in jeder Figur „ein Stück Herzblut von uns allen“. Schließlich gehe es bei einer Telenovela vor allem um Emotionen. Das ist bei Schauspieler Ralph Schicha nicht anders. Der 54-jährige Münchener hat nach vielen Fernseh- und Theaterrollen – er war beispielsweise der Tierarzt in „Unser Charly“ – zunächst überlegen müssen, ob er die Rolle des Tobias in dem Herz-Schmerz-Märchen annehmen soll. Nun spielt er den alten Jugendfreund von Julias Mutter – der Mutter und Tochter in Deutschland Unterschlupf gewährt – und sagt, man müsse bei einer Telenovela noch konzentrierter und besser vorbereitet sein als sonst. Da die Szenen komplett durchgespielt, von den Kameras gleichzeitig aufgenommen und live am Set vorgeschnitten werden, wisse man nie genau, ob man jetzt im Bild sei oder nicht. „Du musst ganzheitlich spielen“, sagt er, „das ist wie im Theater“. Auch für „Julia“-Darstellerin Susanne Gärtner drängt sich dieser Vergleich auf: „Mich hat gereizt, dass ich ein ganzes Jahr lang – wie im Theater – in einem Ensemble arbeiten kann, in dem jede Figur ihre eigene Entwicklung erfährt“, sagt sie. Anders als beim Theater wird bei einer Telenovela jedoch nicht jede Szene monatelang vorbereitet und geprobt. Susanne Gärtner hat insgesamt 250 Folgen vor sich, deren Handlung größtenteils noch entwickelt wird. Jedes Wochenende lernt sie fünf neue Drehbücher – das sind fünfhundert Seiten Text. Den Part für den nächsten Drehtag geht sie am Abend vorher noch mal durch, denn am Drehtag selbst bleibt keine Zeit. Am Set haben die Schauspieler kaum eine Chance sich zwischen den einzelnen Szenen zu regenerieren. „Das ist schon eine Herausforderung“, sagt Ralph Schicha, er hätte gern mal eine Pause zwischen dem Dreh. „So muss man einfach durchgehend in der Figur bleiben, da ist keine Zeit dazwischen mal abzuspannen“, beschreibt er die Produktionsbedingungen. Am härtesten sind diese wohl für die Hauptdarstellerin: Da sich alles um „Julia“ dreht, ist Susanne Gärtner in fast jedem Bild zu sehen. Das ZDF wird im Oktober (Sendestart: 6. Oktober, 16.15 Uhr) mit „Julia – Wege zum Glück“ versuchen die bisher sehr erfolgreiche Telenovela „Bianca – Wege zum Glück“ auf dem selben Sendeplatz abzulösen. In der letzten Woche erreichte diese mit 24,8 Prozent Marktanteil ihren bisherigen Spitzenwert.

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