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Landeshauptstadt: 55 Stunden Arbeit für zerstörten Automaten

Ein typischer Fall im Potsdamer Jugendgericht: 19-Jähriger wegen Sachbeschädigung verurteilt

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Marcel M. kann nur rätseln. „Keine Ahnung, warum ich das gemacht habe. Vielleicht war ich betrunken?“, sagt der 19-Jährige. Er sitzt in der Mitte eines Gerichtssaals im Potsdamer Justizzentrum in der Jägerstraße, weil er eine Vorladung für das Jugendgericht erhalten hat. „Ich bin mir meiner Schuld aber bewusst“, sagt der junge Mann. Leugnen hätte aber auch gar keinen Zweck. Die Tat des Dachdeckerlehrlings wurde per Video festgehalten. Der wegen Sachbeschädigung angeklagte Potsdamer ist auf den Bildern gut zu erkennen.

Es ist der 31. November 2009, kurz nach Mitternacht. Marcel M. steht vor einem Entwerter der Straßenbahn. Auf Höhe der Haltestelle Kastanienallee drischt er auf das Gerät ein, verschwindet danach aus dem Blickfeld der Kamera. Der Potsdamer Verkehrsbetrieb (ViP) bezifferte den entstandenen Schaden zunächst auf etwa 500 Euro. Ein zur Verhandlung geladener ViP-Gruppenleiter korrigiert die Schadenshöhe auf 900 Euro. „Die Abdeckung des Entwerters wurde zerstört, das Elektroteil zur Steuerung ebenfalls. Das Gerät musste komplett ausgetauscht werden“, berichtet der ViP-Mitarbeiter, dessen Aufgabe es ist, die Videos in Bussen und Bahnen auszuwerten.

Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe regt an, Marcel M. nach Jugendstrafrecht zu sanktionieren. Obwohl der bislang unbescholtene Potsdamer bereits mit 17 Jahren von zu Hause auszog, seien Reifeverzögerungen nicht ausgeschlossen. „Er lebte auf der Straße, danach im Obdachlosenheim. Gegenwärtig befindet er sich in einer betreuten Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt“, sagt die Sozialarbeiterin zugunsten ihres Klienten.

In der Tat scheint Marcel M. noch nicht so richtig begriffen zu haben, woher der Wind weht. Wegen der Beschädigung des Entwerters musste er bereits einmal vor Gericht erscheinen, wurde mit 50 Sozialstunden sanktioniert. Hätte er die abgeleistet, wäre das Verfahren eingestellt worden. Doch Marcel M. hatte offenbar keine Lust auf die Arbeit. „Der Angeklagte war zwar geständig, aber eine erneute Verfahrenseinstellung hat er verwirkt“, betont die Staatsanwältin. „Heute gibt es ein Urteil.“ Und das ist bereits rechtskräftig. Marcel M. muss nun binnen drei Monaten 55 Stunden gemeinnützig arbeiten. Den Arbeitsplatz wird ihm die Jugendgerichtshilfe zuweisen. „Klappt das wieder nicht, kann ich bis zu vier Wochen Beugearrest verhängen“, gibt ihm die Vorsitzende mit auf den Weg. „Und die Stunden müssen Sie trotzdem machen.“ (*Name geändert.) Hoga

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