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Aus dem GERICHTSSAAL: 81-Jährige wegen Fahrerflucht angeklagt

Ursula U.* (Name geändert) fährt seit 50 Jahren Auto.

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Ursula U.* (Name geändert) fährt seit 50 Jahren Auto. Manchmal ist sie ein bisschen zu schnell. Doch passiert sei noch nie etwas, erzählt die pensionierte Lehrerin. Auch der 14. Januar war aus Sicht der 81-Jährigen ein ganz normaler Tag. Dass sie jetzt wegen Fahrerflucht auf der Anklagebank sitzt, wurmt sie sehr. „Die Bundeswehr gab im Nikolaisaal ihren Neujahrsempfang. Fast die gesamte Wilhelm-Staab-Straße war zugeparkt.“ Entgegen ihrer ursprünglichen Absicht stellte sie ihren VW in der nahegelegenen Yorckstraße ab, musste dabei mehrmals rangieren. „Ich habe eine Einparkhilfe in meinem Auto, die piept, wenn es beim Rückwärtsfahren eng wird. Aber sie sprach nicht an. Deshalb kann ich nicht nachvollziehen, dass ich gegen ein anderes Auto gestoßen sein soll“, so die überaus rüstige Angeklagte. „Ich war ganz überrascht, als ich von der Polizei beschuldigt wurde, danach einfach weggefahren zu sein. An meinem VW war nichts zu sehen.“

Die Instandsetzung des von der Rentnerin angeblich touchierten Mercedes soll 1900 Euro kosten. „Der Wagen hat ziemlich viele Vorschäden. Welche Schramme ist denn die aktuelle?“, wendet sich Amtsrichterin Waltraud Heep an den Polizisten, der die Anzeige aufnahm. Der stutzt einen Moment, zeigt dann auf einen kleinen Kratzer, der – anders als die übrigen – noch nicht mit Rost bedeckt ist. Der Beamte bezifferte den Schaden mit 300 Euro. „Aber ich bin ja kein Kfz-Sachverständiger“, fügt er entschuldigend hinzu. „Ist Ihr Auto inzwischen repariert?“, möchte die Vorsitzende von der Geschädigten wissen. Die 57-Jährige betont, dafür habe sie noch keine Zeit gefunden.

„Ich habe mich mit der Frau in Verbindung gesetzt. Sie hat gesagt, Unfallflucht wird teuer. Außerdem schlug sie mir vor, wir sollten die Versicherung nicht einschalten. Da habe ich ihr den Schaden in bar bezahlt“, berichtet Ursula U. Die Richterin mag es kaum glauben, die Angeklagte kann ihr Tun im Nachhinein auch nicht mehr verstehen. „Mein Schwiegersohn ist Jurist. Er hätte mir bestimmt nicht dazu geraten“, mutmaßt sie. In der konkreten Situation habe sie völlig neben sich gestanden. Hinzu kam, dass ihre Tochter plötzlich schwer erkrankte. Der Schwiegersohn erlitt dadurch einen Nervenzusammenbruch, musste ebenfalls in die Klinik. „Sind Sie einverstanden, wenn wir das Verfahren einstellen“, fragt Richterin Heep. „Ein Freispruch ist das allerdings nicht.“ Die Seniorin nickt erleichtert. Hoga

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