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Aus dem GERICHTSSAAL: 900 Euro teure Radpartie

Ex-Oberbürgermeister- Kandidat vor dem Kadi

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Aus dem GERICHTSSAALEx-Oberbürgermeister- Kandidat vor dem Kadi „Sie heißen mit Vornamen Joachim?“, fragt Amtsrichter Wolfgang Peters den Delinquenten auf der Anklagebank. Der nickt. „Noch“, antwortet der 53-Jährige dann und bringt den Vorsitzenden zum Staunen. „Ist doch wohl nicht verboten, seinen Vornamen zu ändern, oder? Das habe ich nämlich vor“, pariert der freiberufliche Journalist. Dann stülpt er sich die Sonnenbrille auf die Nase. „Ich leide an einer chronischen Bindehautentzündung. Deshalb muss ich das Ding aufsetzen“, begründet er die augenscheinliche Maskerade. Der Richter schluckt auch diesen Spruch, erkundigt sich dann: „Sie haben wohl Ihre gesamten Sachen mitgebracht. Rechnen Sie mit einer Haftstrafe?“ In der Tat kreuzte Joachim J.* mit zahlreichen Taschen, Beuteln und einer großen Thermoskanne in dem altehrwürdigen Gebäude in der Hegelallee auf. Doch einen Aufenthalt hinter schwedischen Gardinen hat der Mann, der einst Oberbürgermeister von Potsdam werden wollte und dafür persönlich Unterschriften sammelte, der die Medienlandschaft der Stadt mitprägte, diverse Kulturprojekte in Angriff nahm und eine Radtour rund um den Globus plante, nicht zu befürchten. Jochim J. wurde am 1. April auf einer weit weniger spektakulären Partie auf seinem Veloziped von Uniformierten in der Reiherbergstraße gestoppt. Da hatte er leider 1,9 Promille intus. Der Gesetzgeber sagt, ab 1,6 Promille ist ein Radfahrer absolut fahruntauglich. (Bei einem Autofahrer liegt diese Grenze bereits bei 1,1 Promille.) Wird man mit einer derart hohen Blutalkoholkonzentration erwischt, landet man unweigerlich vor dem Kadi. „Wie war das denn nun am 1. April?“, will der Vorsitzende von dem Möchtegern-Stadtoberhaupt wissen. Joachim J. lässt sich nicht lange bitten. „Paar Bier getrunken, aufs Rad gesetzt, von der Polizei festgehalten worden“, berichtet er im Telegrammstil. „Aber die Polizisten waren echt nett.“ Dann kommt ihm eine Frage in den Sinn. „Nehmen Sie mir jetzt meine Fahrerlaubnis ab? Ich habe gehört, dass das auch betrunkenen Radfahrern passieren kann.“ Richter Peters beruhigt den Schluckspecht. „Da Sie bisher keine Voreintragungen haben, steht so etwas überhaupt nicht zur Debatte.“ Dann beschließt er, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße von 900 Euro einzustellen. Über die darf sich der Verein „Anwalt des Kindes“ freuen. (*Name von der Redaktion geändert.) Hoga

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