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Modulationen in Dur und Moll. Die Potsdamer Kunsterzieherin Prof. Maike-Anna Aissen-Crewett beschäftigt sich mit autonomer Malerei. Die Bilder sind dabei von konkreten Inhalten oder Bedeutungen entledigt.

© Manfred Thomas

Von Almut Andreae: Abenteuerliche Malerei Kunst-Professorin Maike-Anna Aissen-Crewett stellt im Nikolaisaal aus

Wenn Maike-Anna Aissen-Crewett über ihre Kunst spricht, ist viel von der „autonomen Malerei“ die Rede. Heißt: die Malerei entledigt sich der Funktion, konkrete Inhalte oder Bedeutungen zu vermitteln.

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Wenn Maike-Anna Aissen-Crewett über ihre Kunst spricht, ist viel von der „autonomen Malerei“ die Rede. Heißt: die Malerei entledigt sich der Funktion, konkrete Inhalte oder Bedeutungen zu vermitteln. Wenn sich Malerei auf ihre eigenen Mittel besinnt, birgt allein der Einsatz der Farbe immer neue Wege der Selbstbehauptung. Wie das konkret aussehen kann, zeigt die Malerin derzeit in der Ticket-Galerie, wo sie sich aktuell mit eigenen Arbeiten präsentiert. Die Schau bildet den Auftakt in die neue Ausstellungssaison. Seit einem Jahr betreut und konzipiert die Professorin der Universität Potsdam in Kooperation mit dem Nikolaisaal Potsdam Ausstellungen an der Schnittstelle zwischen Malerei und Musik. „Dreiklänge. Modulationen in Dur und Moll“ hat die Künstlerin ihre Auswahl von rund 30 Bildern überschrieben, die durchweg seit 2005 entstanden.

Die gesondert gehängten Bildquadrate, die Aissen-Crewett auch als „Module“ oder „Fingerübungen“ bezeichnet, sind Variationen auf die Primärfarben Rot, Gelb und Blau. Diese drei Eckpfeiler aller Farbgemische empfindet die Künstlerin im positiven Sinne als Herausforderung, als „das Abenteuerliche in der Malerei“.

In ihren Farbquadraten verhilft Maike-Anna Aissen-Crewett abwechselnd unvermischtem Blau, Gelb oder Rot zu ihrem Recht. Die Intensität des reinen Farberlebnisses steigert sie dadurch, dass sie die Acrylfarbe direkt mit den Fingern auf der Spannplatte vermalt. Musikalisch gedacht ließen sich diese Module als Etüden begreifen. Gleichzeitig wird das „Spielen auf dem Farbklavier“ innerhalb der Ausstellungsdramaturgie zum Präludium, zur Vorbereitung auf das große Format. Hier wird die Farbe – nunmehr als Mischfarbe – auf eine stabile Pappe, Metallpack, aufgebracht.

Was zuvor als Fingerübung begann, wird nunmehr unter Einsatz des ganzen Körpers ausagiert. Breite Pinsel, Quasten und Borsten statt vorsichtige Pinselmalerei führen ein entschiedenes Regiment. In großen Schwüngen und kraftvoller Verve streicht die Künstlerin die Farbe auf dem teils mannshohen Metallpack aus, sorgt hier für Farbwirbel und hinterlässt dort eine munter tropfende Spur. Das meiste passiert hier völlig ungeplant, in einem eigendynamischen Prozess: „Das Bild malt sich irgendwo selber“, bringt es Aissen-Crewett auf den Punkt. Am Ende steht der physische Malprozess dem fertigen Bild richtiggehend ins Gesicht geschrieben. Auslöser für den optischen Aufruhr dieser Bilder ist bei Aissen-Crewett das Erlebnis von Klang und Rhythmus und deren malerische Übersetzung mittels Farbe und Bewegung. Die Malerin gebiert ihre Bilder vor allem aus der Musik. Autonome Malerei praktiziert und vermittelt sie daher durch ein, wie sie es ausdrückt, „Crossover“ von Bild und Musik. Im synästhetischen Sinne Analogien herzustellen zwischen Klängen und Farben, zwischen Musik und Malerei, ist das künstlerische Credo Aissen-Crewetts. Als geistige Ziehväter gelten hier unter anderem Kandinsky und Klee, auch in ihrer Rolle als Bauhaus-Pädagogen. Außerdem hat die Begegnung mit Hermann Nitsch und dem Wiener Aktionismus befruchtend auf die eigene Kunst gewirkt.

Seit Maike-Anna Aissen-Crewett vor 15 Jahren an der Uni Potsdam den Studiengang Kunst für das Lehramt etablierte und seitdem als Professorin leitete, stand die Vermittlung der autonomen Malerei und der Verbindung zwischen Musik und Malerei fest auf dem Programm. Während die Zukunft des Lehramtsstudiengangs Kunst in Potsdam derzeit mehr als ungewiss ist, geht Frau Aissen-Crewett Ende dieses Monats definitiv in den Ruhestand. Deswegen die Betreuung ihrer Studenten abreißen zu lassen, kommt für die scheidende Professorin jedoch vorerst nicht infrage.

Die Fortführung der Ausstellungsreihe „Musik und Malerei. Die Verbindung zweier Künste“ in der Ticket-Galerie ist ein wesentlicher Baustein dieses Dialogs. Studenten und Absolventen erhalten hier regelmäßig eine Plattform, um auf das Generalthema Musik und Malerei individuell zu reagieren. Auch in die öffentlichen Kreativ-Workshops, die zu den Ausstellungen angeboten werden, bindet die Professorin ihre Studenten mit ein. Wenn während der Workshops die Ausstellungsräume der Ticket-Galerie zu Werkräumen werden, tauchen Erwachsene wie Schüler ein in Farbe und Klang.

Dreiklänge. Modulationen in Dur und Moll. (Bis zum 25.9). Ticket-Galerie, Wilhelm-Staab-Str. 10/11. Geöffnet: Mo-Fr 10-17 Uhr, Sa 10-14 Uhr. Kreativ-Workshops in der Ticket-Galerie: 17. und 24.9., 1.10., Beginn 15 Uhr. Anmeldung: 0331-2888828.

Almut Andreae

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