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Quantensprung. Neue Technik holt mehr Energie aus der Biomasse.

© dpa

Homepage: Abheben mit Biokerosin

Institut für Getreideverarbeitung (IGV) in Bergholz-Rehbrücke testet Flugzeugkraftstoff aus Algen

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Algen, Sonnenlicht, Kohlendioxid: Das sind die Zutaten von Forschern aus Bergholz-Rehbrücke, mit denen sie auch große Flieger abheben lassen. Aus Biomasse machen sie Flugbenzin. Die Forscher des Instituts für Getreideverarbeitung (IGV) arbeiten an extrem leistungsfähigen Fotobioreaktoren. Das Prinzip: Energie aus Algen durch Photosynthese. Am IGV wird dazu eine neue, leistungsfähige Generation von Fotobioreaktoren entwickelt. Die Funktion sei eigentlich sehr einfach, erklärt IGV-Geschäftsführer Peter Kretschmer. „Wir nutzen Mikroalgen in einem geschlossenen Glasreaktor-Kreislauf und geben sehr viel Sonnenlicht sowie Kohlendioxid hinzu.“ Sonnenlicht, ein Treibhausgas und eine Nährstoffbrühe genügen den Algen zum Wachstum. Am Ende entstehe eine fettige Biomasse, die als Grundstoff für alternative Treibstoffe genutzt werden könne.

Bereits vor zwei Jahren hob das erste Flugzeug auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Schönefeld mit diesem Treibstoff ab und absolvierte erfolgreich einen Probeflug. Mit steigenden Ölpreisen und schrumpfenden fossilen Energiequellen sind Fluggesellschaften auf der Suche nach einer Kerosin-Variante. Kretschmer: „Wir haben gezeigt, dass mit Biokerosin geflogen werden kann.“ Um in die Großproduktion von Algen-Biomasse gehen zu können, bedürfe es jedoch einer noch leistungsfähigeren Generation von Fotobioreaktoren, erläutert der 73-Jährige. Die erste im IGV entwickelte Generation aus einem Zehn-Quadratmeter-Labyrinth von Glasrohren habe dies bisher nicht leisten können und sei in den Anschaffungskosten verhältnismäßig teuer gewesen. „Wir haben die Glasvariante aber 200 Mal weltweit verkauft. Mit ihr lassen sich Grundstoffe für die Kosmetik- und Lebensmittelindustrie in ausreichender Menge herstellen, sie kann aber nicht das Volumen für Biosprit herstellen.“ Seit dem Jahr 2010 arbeiten die IGV-Forscher an einer leistungsfähigeren und kostengünstigeren Reaktorgeneration. „Wir haben den Durchbruch geschafft und konnten die Leistung verdoppeln“, berichtet der Chemiker. Der bisherige Glasreaktor konnte 40 Gramm Biomasse pro Quadratmeter und Tag herstellen. „Jetzt liegen wir bei einem Wert von 80 Gramm.“ Zudem sei es gelungen, die Investitionskosten um die Hälfte zu senken.

Eine industrielle Nutzung durch Massenkultivierung der Mikroalgen ist somit laut Kretschmer in greifbare Nähe gerückt. Weltweite Patente seien bereits auf das IGV angemeldet. Die Nachfrage ist groß. In diesen Tagen hat die US-Luftwaffe mitgeteilt, dass in zwei Jahren sämtliche ihrer Militärflugzeuge biokraftstofftauglich sein sollen. Bis 2016 soll die Hälfte des Kraftstoffverbrauchs der US-Luftwaffe in den USA nicht mehr aus fossilen Quellen stammen. Auch große Energiekonzerne in Deutschland haben Interesse an der Technik, um Kohlendioxid günstig loszuwerden. Sie haben schon Pilotanlagen gestartet und wie etwa EnBW bereits erste Ergebnisse: Die Algen nähmen zwar CO2 auf, der Energieaufwand übersteige aber noch den Energieerlös. Auch IGV-Geschäftsführer Kretschmer würde gerne in dieses Feld einsteigen. Dazu benötige er jedoch Investoren, um noch größere Anlagen zu bauen.

Derzeit entsteht auf dem Firmengelände in Bergholz-Rehbrücke ein 100 Quadratmeter großer Testreaktor. „Wir müssen sehen, ob die Photosynthese auch in einem so großen System funktioniert. Alle bisherigen Tests sprechen dafür.“ Wenn als glatt läuft, sollen die Tests bereits Ende des Jahres abgeschlossen sein. Mathematisch sei aber schon jetzt bewiesen, dass aus zwei Tonnen Kohlendioxid eine Tonne Biomasse sowie anderthalb Tonnen Sauerstoff hergestellt werden können.Georg-Stefan Russew

Georg-Stefan Russew

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