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Sport: Abpfiff nach 30 810 Spielminuten

Heiko Bengs hat mit 42 Jahren noch einmal einen Aufstieg gefeiert. Jetzt macht der Ex-Nulldreier Schluss – und beginnt als Trainer

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Nach 30 810 Minuten war Schluss. Abpfiff nach 379 Fußballspielen. Zur Besinnung ist Heiko Bengs ausgerechnet vergangene Weihnachten gekommen. „Da lag ich mit einem Muskelriss im Krankenhaus und habe mich gefragt, was ich hier mache“, erinnert er sich.

Das war kurz vor seinem 42. Geburtstag – ein Fußballalter, das mit dem Attribut „Alte Herren“ überschrieben und dem das Kürzel Ü40 beigefügt wird. So weit war Heiko Bengs aber noch nicht. Nach vielen Jahren beim SV Babelsberg 03, Sachsen Leipzig und dem 1. FC Magdeburg in der Ober- und Regionalliga fand der Rechtsverteidiger zuletzt beim FSV 63 Luckenwalde die Spielwiese für seine Leidenschaft. Statt Senioren-Kick Oberliga-Fußball bei einem ehrgeizigen Verein, der den Aufstieg in die Regionalliga schaffte, in der am morgigen Samstag zum Saisonstart gleich mal die U23 von Hertha BSC wartet.

Das Regionalliga-Abenteuer macht Bengs nun nicht mehr mit. Zumindest nicht auf dem Platz. Aber an der Seitenlinie wird er stehen – als Co-Trainer vom neuen Luckenwalder Chefcoach Jörg Heinrich, den der FSV nach Abschluss der vergangenen Saison in den Fläming geholt hat. Der ehemalige Nationalspieler und Dortmunder Champions-League-Sieger führt die Luckenwalder in deren ersten Regionalligasaison, während Ingo Nachtigall als langjähriger FSV-Coach fortan als Sportlicher Leiter agiert.

„Für mich ist das der nächste Schritt nach der Fußballer-Karriere“, sagt Heiko Bengs zu seinem Wechsel auf die Trainerbank. Ein Schritt, der eine Herausforderung wird, wie er meint. „Ich will herausfinden, ob der Trainerjob was für mich ist.“ Allein seine jetzige Arbeit als Veranstaltungsmanager mit eigener Eventagentur und das Engagement als Co-Trainer zu verbinden, werde nicht einfach. „Es ist etwas anderes, wenn du als Spieler zum Training oder zum Spiel fährst oder als Trainer“, sagt er. Das Spieler-Dasein sei im Vergleich nahezu komfortabel gewesen. „Jetzt ist das wesentlich komplexer mit Trainingsplanung, Spielbeobachtungen, Spielanalysen“, sagt Bengs. Zumal sie in Luckenwalde mit dem Regionalliga-Aufstieg das Pensum erhöht haben und nun jeden Tag trainieren. Jeden Nachmittag wechselt Bengs seine Rolle vom Eventmanager zum Kleinbusfahrer mit einem halben Dutzend Spielern an Bord, die wie er in Potsdam zu Hause sind, um eine Stunde später als Co-Trainer auf dem Platz zu stehen. Abends um zehn ist er zurück.

Doch die Logistik zu managen ist das eine. Die weitaus größere Herausforderung sieht Bengs in der Arbeit mit jungen Spielern, die halb so alt sind wie er und eine ganz andere Fußballer-Generation verkörpern. Bengs hat das Fußball-Abc beim SV Babelsberg gelernt, er kommt aus einer Fußballer-Familie. Sein Bruder hat gekickt, sein Vater war Trainer. Als junger Spieler hat Heiko Bengs Mitte der 1990er-Jahre den Aufstieg des SVB von der Landesliga bis in die Regionalliga mitgestaltet. „Wir haben vor 30 Zuschauern begonnen, am Ende waren es 3000“, erzählt er. Mit Spielern wie Daniel Knuth, Andreas Joppien, Matthias Morack, Mark Jonekeit oder Herman Andreev gehörte er zu jener Nulldrei-Generation, die das damalige Image des SVB als aufstrebender Kiezverein mit Akteuren, die ihre Wurzeln in Potsdam haben, mitbegründeten. Sein persönliches Highlight: 7. August 1999, zweite DFB-Pokalrunde gegen den damaligen Bundesligisten Unterhaching. „Hendrik Lau schießt in der 90. Minute des 1:0“, so Bengs’ Archiv-Report. „Das war der Durchstarter für Babelsberg“, sagt er und erinnert sich daran, dass plötzlich Berliner Zeitungen halbe Seiten über den SVB schrieben.

Von seinem damaligen Trainer Wolfgang Metzler und erfahrenen Mitspielern wie Heiko März oder Waldemar Ksienzyk habe er viel gelernt. „Deren Ansage war Gesetz“, sagt Bengs. Heute habe er mitunter das Gefühl, als sei das Trainerwort ein Diskussionsangebot. „Oft denken junge Spieler, dass sie mit 18 schon große Fußballer sind, die weder Training noch Kritik brauchen“, sagt Bengs. Es werde daher spannend für ihn, zu sehen, ob er den richtigen Ton und die richtige Ansprache findet. „Es ist ein schmaler Grat zwischen Fußballtraining und Erziehung.“ Er sei selbst gespannt, wie er sich darauf bewegen wird.

Die erste Begegnung mit der eigenen Vergangenheit und Gegenwart fällt auf einen Mittwochabend. Am 26. August gastiert der SVB in Luckenwalde. „Für uns wird die Regionalliga ein Riesenabenteuer, das mit dem Klassenerhalt enden soll“, sagt Bengs. Mit dem heutigen SVB verbindet ihn kaum etwas. „Die Strukturen und das Image des Vereins haben sich sehr geändert“, sagt er und erwähnt ohne Wertung, dass es zwischen der Nulldrei-Traditionself und der heutigen Vereinsführung keinen Kontakt gibt. Auf die Mission in der Coachingzone beim Rückspiel des neuen Regionalliga-Derbys im nächsten Jahr freut sich Heiko Bengs schon jetzt. „Schließlich ist das Karli eines der schönsten Stadien in Deutschland“, begründet er. Peter Könnicke

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