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Homepage: „Abriss des FH-Gebäudes wäre falsch“

FH-Rektorin Helene Kleine über die Pläne am Alten Markt, den Umzug der FH zur Pappelallee, Neubauten und Studiengebühren

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FH-Rektorin Helene Kleine über die Pläne am Alten Markt, den Umzug der FH zur Pappelallee, Neubauten und Studiengebühren Frau Kleine, die Fachhochschule wollte eigentlich 2006 ihren Bereich vom Alten Markt an die Pappelallee holen. Im März 2006 wird der Bau des Zentralgebäudes an der Pappelallee beginnen. Dort entstehen die Bibliothek, die Mensa, zwei große Hörsäle, Räume für einen Teil der Verwaltung und ein multifunktionaler Raum. Ich rechne dafür mit circa zwei Jahren Bauzeit. Darüber hinaus müssen die Bestandsgebäude umgebaut und ein Anbau errichtet werden. Und, nicht zuletzt, das unter anderem als Studentenclub genutzte „Casino“ muss, mit möglichst viel Eigenleistung der Studenten, saniert werden. Die Frage ist nun, wie sich der Umzug mit den Planungen zum Landtag am Alten Markt und der baulichen Gestaltung an der Friedrich-Ebert-Straße vereinbaren lässt. Inwiefern? Wir haben ja seit Monaten mit der Umgestaltung des Alten Marktes eine riesige Baustelle „direkt vor der Tür“. Die Kollegen, Mitarbeiter und Studenten haben das mit viel Geduld hingenommen. Ein Ende ist ja nun zum 3. Oktober absehbar. Dann folgt die Umlegung des Verkehrs an der Breiten Straße und der Friedrich-Ebert-Straße, diese betrifft uns besonders. Wenn dann 2008 mit dem Landtagsbau und möglicherweise auch einer Umgestaltung zwischen Friedrich-Ebert-Straße und dem Fachhochschulgebäude angefangen wird, wird die Belastung für die Studenten und Kollegen durch Lärm, Zu- und Abfahrt etc. sicher erheblich sein. Also vor 2010 ist mit einem Umzug nicht zu rechnen? Es wäre gut, wenn insgesamt die Planungs- und Bauarbeiten hier an der Pappelallee beschleunigt werden, um Lehre, Studium und Forschung nicht zu beeinträchtigen. Ich denke, dass das die Verantwortlichen im Land und in der Stadt auch so sehen. Die Baumaßnahmen in der Pappelallee sind finanziell schon bewilligt? Sie sind über die Rahmenplanungen abgesichert. Viele Ihrer Studierenden beschäftigen sich derzeit mit der Situation am Alten Markt. Wird sich die FH auch weiterhin in die Planung einmischen? Die Architekten und Bauingenieure und wir als Nutzer insgesamt werden das sicher tun. Das bezieht sich auf das gesamte Areal zwischen Havel und der Straße Am Kanal, dem Alten Rathaus und der Friedrich-Ebert-Straße. Stadt und Land tun gut daran, sich unsere Kompetenzen zu Nutze zu machen. Sie befürworten das Stadtschloss als Landtag? Den Landtag am Alten Markt zu errichten ist eine richtige Entscheidung, auch im Grundriss und der Kubatur des Schlosses. Allerdings bin ich der Auffassung, dass die Gestaltungs- und Funktionsfragen des Landtages und der Umgebung wettbewerblich bzw. in Alternativen entwickelt werden müssen. Es wäre auch denkbar nicht alle Landtagsfunktionen im Neubau unterzubringen, nachgeordnete Bereiche könnten im Bestand untergebracht werden, beispielsweise auch im heutigen FH-Gebäude. Sie möchten das FH- bzw. Bibliotheksgebäude an der Friedrich-Eber-Straße nicht abgerissen sehen? Nein, das ist meines Erachtens nicht zwingend. Studierende des Master-Studiengangs „Bauerhaltung“ haben die Bausubstanz untersucht, die Standsicherheit ist gegeben. Inwieweit es ein historisch bedeutsames Gebäude für die Baugeschichte ist, dazu müssten sich die Denkmalpfleger äußern. Aber grundsätzlich lässt die Gebäudestruktur auch andere Nutzungen zu. Es müsste allerdings umfassend saniert werden. Aber zu sagen, es muss weg, weil es DDR-Architektur repräsentiert, ohne zu überlegen, welche funktionalen Alternativen es gibt, fände ich falsch. Der Masterplan der FH für das Areal ist aber wieder in der Schublade verschwunden. Nein, die aktuellen Planungen greifen einiges davon auf: Die Verengung der Friedrich-Ebert-Straße und beispielsweise den Durchbau der Schwerdtfegergasse, um die alte Stadtstruktur wiederherzustellen. Die Idee, den riesigen Baukörper der FH und der Bibliothek anders zu strukturieren, Durchgänge zu schaffen, das bleibt aktuell. Auch sollte meines Erachtens die Stadt- und Landesbibliothek in der Mitte der Stadt verbleiben. Sie favorisieren für das Areal auch weiterhin eine wissenschaftliche Nutzung. Ein Anliegen, dass ich mit den anderen Hochschulen und den außeruniversitären Einrichtungen bzw. dem Verein Pro Wissenschaft Potsdam teile, zu dessen Vorstand ja auch Herr Oberbürgermeister Jakobs und Herr Egenter, Hauptgeschäftsführer der IHK Potsdam, gehören. In der Mitte der Stadt sollte eine „Ständige Vertretung“ der Potsdamer Wissenschaft und Forschung entstehen. Sie meinen das „Science Center“? Ich denke an eine Einrichtung, die wir im Verein Pro Wissenschaft im Zuge der Bewerbung zur Wissenschaftsstadt als „Denkhaus“ bezeichnet haben – weniger ein Erlebnis-Center als mehr eine Repräsentanz der Wissenschaft– und das an die Nutzungen unseres „Schaufensters“ anknüpft. Der halboffizielle Charakter und die etwas unperfekte Werkstattatmosphäre des „Schaufensters“ kommen den Studierenden derzeit sehr entgegen. Wir werden das fortsetzen und würden begrüßen, wenn auch die anderen Hochschulen und Institute diesen Ort nutzen. Ist die Idee „Denkhaus“ mit der gescheiterten Bewerbung zur Wissenschaftsstadt 2006 nicht vom Tisch? Im Verein Pro Wissenschaft denken wir weiter darüber nach. Die FH will die Idee als Hauptnutzer nun weiter transportieren. Die Wissenschaft sollte weiter einen Fuß in der Stadtmitte behalten. Was ist bei der Bewerbung Potsdams zur Wissenschaftsstadt 2006 falsch gelaufen? Dresden hat viel zu bieten und konnte für sich mehr Strahlkraft entwickeln. Da steht Potsdam vielleicht doch noch ein wenig im Schatten Berlins, während Dresden für sich steht. Dort sind auch hervorragende Industrieansiedlungen im Verbund mit Wissenschaft und Forschung gelungen, die bei uns eher am Rande der Stadt liegen. Potsdam hat sich von einer Bewerbung aber nicht ganz verabschiedet? Nein. Aber wir wollen nun erst einmal das angehen, was wir uns im Zuge der ersten Bewerbung vorgenommen haben, die Stadt zusammen mit der Wissenschaft, der IHK und allen weiteren Beteiligten. Welches Problem steht am Hochschulstandort derzeit im Vordergrund? Man wünscht sich immer wieder, dass mehr Studierende auch hier in Potsdam leben würden, wobei keineswegs alle täglich nach Berlin pendeln. Die Studierenden sind zudem sehr engagiert in Sachen Potsdam und Region. Die Wohnungsangebote in Potsdam sind gut, die Stadt bietet ein Begrüßungsgeld und ein interessantes und vielseitiges kulturelle Angebot, außerordentlich aktiv ist auch das Studentenwerk. Alles Punkte, die für Potsdam sprechen. Die Frage ist aber auch, wodurch das Image einer Stadt geprägt wird. Das sind in Potsdam Sanssouci, Cecilienhof und aktuell Einstein. Je näher man allerdings kommt, sieht man, was darüber hinaus und ganz aktuell vorhanden ist. Nehmen Sie etwa die Aktivitäten des Geoforschungszentrums in diesem Jahr. Welche Rolle spielt die FH bei der wirtschaftlichen Entwicklung der Region? Natürlich sind wir als Hochschule und damit als Arbeitgeber für mehr als 200 Mitarbeiter und mit 2400 Studenten selbst ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Mit unseren Absolventen leisten wir Wissenstransfer auch für die Wirtschaft. Unsere Absolventen gehen ja sowohl in die öffentliche Verwaltung wie in den privatwirtschaftlichen und den gemeinnützigen Bereich und nicht zuletzt in die Freiberuflichkeit und Selbständigkeit, z.B. Design, Kulturarbeit, Architektur und Städtebau. Gerade in diesen Bereichen entstehen damit kleine Betriebe oder mittelständische Unternehmen. Hier sind wir zum Beispiel mit den TIB-Stellen ein wichtiger Partner für Innovation und Technologietransfer. Beim Transfer Wissenschaft-Wirtschaft liegt Brandenburg im Vergleich zu anderen Bundesländern noch zurück. Der Eindruck, dass es mit den Gründungen langsam vorangeht, täuscht, weil die Entwicklung relativ kleinteilig verläuft. Es entstehen wenig große Unternehmen mit vielen Arbeitsplätzen. Die kleinteilige, sehr spezifische Gründungstätigkeit entfaltet dann aber in sich große Wirkung. Die FH ist über das Brandenburgische Institut für Existenzgründung BIEM mit der hiesigen Universität und der FH Brandenburg aktiv. In Zukunft soll das BIEM als landesweites Institut mit allen Brandenburger Hochschulen als Partner installiert werden. Kaum ein Absolvent ist sofort mit einer Gründung erfolgreich. Wir wollen die Studenten nicht ausschließlich darauf orientieren, sich sofort nach dem Studium selbstständig zu machen. Dann fehlen oft noch das berufliche Knowhow, die Vernetzung und in der Regel auch die Kapitaldeckung. Die Gründung ist eher der zweite Schritt nach der entsprechenden beruflichen Erfahrung. Gleichwohl wollen wir an der FH im „Casino“ Gründerräume einrichten, in denen Absolventen mit der Hochschule im Rücken die ersten Schritte in die Selbstständigkeit ausprobieren können. Bereitet die Umstellung auf Bachelor und Master auch an der FH Probleme? Eine solch grundlegende und flächendeckende Umsteuerung geht nicht völlig reibungslos. Von rund 2400 Studierenden sind 400 nun in BA- und MA-Studiengängen immatrikuliert. Bis auf die Informationswissenschaftler, die Restauratoren, die Kulturarbeiter und die Bauingenieure bieten bereits alle Bereiche die neuen, international anerkannten Abschlüsse im grundständigen Studium an oder planen die Einführung. Probleme gibt es noch bei der Anerkennung für den höheren Dienst bei den Master-Absolventen. Auch bei den Promotionen läuft es immer noch nicht ganz glatt. Wir müssen auch schauen, ob wir mit gleich bleibenden Kapazitäten klar kommen, wenn wir die Studierenden nicht mehr acht sondern insgesamt zehn Semester ausbilden. Viele Studierende begegnen der Umstellung mit Sorge. Das wird sich entkräften. Natürlich müssen sich auch die Arbeitgeber umstellen. Sie werden durch die neuen Abschlüsse jüngere Berufseinsteiger bekommen, was die Wirtschaft ja immer wollte. Diese Bachelor-Absolventen müssen allerdings in der ersten Berufsphase intensiver „begleitet“ werden. Die FH setzt nun auch zunehmend auf den Sektor Weiterbildung. Es gehört zur Umstellung unserer Angebote im Zuge des Bologna-Prozesses, zum Beispiel für Bachelor-Absolventen nach einigen Berufsjahren postgraduale Angebote bzw. auch Weiterbildungskurse anzubieten. Bei den postgradualen Masterangeboten, also nach einigen Jahren im Beruf, fallen Gebühren an. Daneben gibt es die „klassische“ wissenschaftliche Weiterbildung für Berufstätige, beispielsweise ganz aktuell im Kulturmanagement. Lebenslanges lernen wird immer wichtiger und auch immer selbstverständlicher. Sie haben nun einen neuen Studiengang zur Ausbildung von Kita-Erziehern aufgelegt, ein Studiengang zum Bereich Familie soll folgen. Reagieren Sie damit auf die demografische Lage? Der Umgang mit der demografischen Entwicklung und den Bildungsdefiziten gehört derzeit zu den wichtigsten Themen in unserer Gesellschaft. Die bildungspolitische Diskussion zeigt, dass wir uns gerade um die ganz Kleinen kümmern müssen. Wir müssen auch stärker in den Bereich der familienunterstützenden Angebote gehen, sei es für Familien mit Kleinkindern, mit Schulkindern oder in besonderen Problemlagen. Sind heute schon Defizite spürbar? Das bemerken wir im Vergleich zu früher tatsächlich bei den Abiturienten und Fachabiturienten. Etwa in den Bereichen der Textarbeit, bei den Methodenkenntnissen, aber auch bei Lese- und Schreibkompetenzen. An der FH hat sich nun eine AG Studiengebühren gegründet, die Gebühren ablehnt. Wie ist Ihre Haltung? Es geht darum, welche finanzielle Wertigkeit wir auf Dauer dem Bereich Bildung zubilligen. Ich selbst, Abitur 1977, komme als „katholische Arbeitertochter vom westdeutschen Land“ aus den so genannten bildungsfernen Schichten und habe damals mit Bafög das Studium geschafft. Heute muss man allerdings feststellen, dass die bildungsfernen Schichten kaum noch in das System herein kommen. Und häufig herrschen in diesen Schichten heute instabilere Verhältnisse als noch vor 25 Jahren. Die Frage ist nun, wie man gerade die jungen Leute aus diesen Kreisen in die Hochschulen bekommt. Hier darf man nicht noch weitere Hürden aufbauen, etwa über Kredite zu schlechten Konditionen. Es geht aber auch grundsätzlich um die Studienfinanzierung, die sich nicht in den Gebühren erschöpft, sondern auch die Finanzierung des Lebensunterhalts einschließt. Hier sind neue elternunabhängige Finanzierungsmodelle, die allen Studierenden offen stehen, gefragt. Das muss nun erst einmal geklärt sein. Die nächsten Frage: Wenn Studiengebühren erhoben werden, muss das Geld an den Hochschulen bleiben und die Lehre verbessert werden. Wie verhält sich die FH zur Frage der Exzellenz-Initiative des Bundes? Zu Anfang ging es noch um Verbünde in denen auch die Fachhochschulen einen Platz haben. Davon ist in der aktuellen Debatte viel zu wenig die Rede. Hier sind die Fachhochschulen auf Bundesebene vergessen worden. Ich hoffe, dass man sich nun auf Länderebene und über die Kultusministerkonferenz für uns einsetzen wird. Das Gespräch führte Jan Kixmüller Helene Kleine ist seit 1995 Professorin für kulturellen und sozialen Wandel an der FH Potsdam, war Gründungsbeauftragte für den Studiengang Kulturarbeit und ist seit 2001 Rektorin der FH.

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