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Von Peer Straube: Abschied ohne Tränen

Über 2000 Besucher bei der Auszugsparty der Bibliothek / Sanierung und Erweiterung zum Wissensspeicher bis Ende 2012

Von Peer Straube

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Innenstadt - Das weinende Auge tränte nicht allzu sehr. Nicht bei den Politikern, nicht bei den Mitarbeitern und nicht bei den Nutzern. Unisono freute man sich darauf, in zweieinhalb Jahren den seit 36 Jahren konservierten, inzwischen längst morbiden DDR-Charme der Stadt- und Landesbibliothek (SLB) überwunden zu haben. Ende 2012, wenn der neue „Wissensspeicher“ in Kombination aus Bibliothek und Volkshochschule eröffnen soll, wird das Gebäude innen und außen nicht wiederzuerkennen sein: Das Haus innen offen mit Galerien rundherum, eine Glasfassade, die ein Bücherregal zitiert, viel Licht im Innern, eine neue Ausstattung.

Gestern nahm man offiziell Abschied vom alten Haus, das zwar bis 12. Mai noch geöffnet ist, seine Bestände nun aber für die Sanierungsphase in den benachbarten Fachhochschulkomplex verlagert. Diese Interims-Bibliothek soll am 13. Mai in Betrieb genommen werden. Einen Ansturm wie gestern hat SLB-Chefin Marion Mattekat nach eigenem Bekunden selten erlebt. Bis 20 Uhr waren fast 2000 Besucher gekommen, bis Mitternacht dürften es noch einige mehr geworden sein. Bergeweise liehen die Gäste Bücher, DVDs und Tonträger aus, gelockt durch besondere Konditionen, etwa für kostenlose Anmeldungen für eine Tageskarte. 14 000 eingetragene Nutzer hat die SLB pro Jahr, Mattekat rechnet fest damit, dass es nun einige mehr werden.

Dicht umlagert war am Abend eine Talkrunde, in der eigentlich Potsdamer Stadtpolitiker ihre Büchervorlieben enthüllen sollten, die jedoch vor allem zu einem parteiübergreifenden Treueschwur zum Gebäude, zum Entwurf und zum Standort genutzt wurde. Die SLB werde die neue Potsdamer Mitte „elementar beleben“, orakelte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), Kulturdezernentin Iris Jana Magdowksi (CDU) freute sich auf eine „tolle Einrichtung mitten in der Stadt“, Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg glaubte gar, mit diesem Gebäude stehe und falle die Belebung des neuen Stadtzentrums. Selbst die sonst eher für Barockaffinität bekannte Bündnisgrüne Saskia Hüneke freute sich an dieser Stelle über den Erhalt eines Zeugnisses der DDR-Architektur, wenn auch „leider“ nicht mit der Originalfassade. Endlich auf die Literaturvorlieben angesprochen, zitierte Hüneke glücklich „Das große Lalula“ von Christian Morgenstern, verbunden mit dem augenzwinkernden Wunsch, mit derlei Grotesken auch mal sich in die Länge ziehende Stadtverordnetenversammlungen zu würzen. Jakobs konterte mit einem Ringelnatz-Gedicht. Magdowski bekannte vergnügt, in ihrer Schulzeit gerne an Bibliotheks-Wettbewerben teilgenommen und den Ausscheid, wer die meisten Indianerhäuptlinge erkennt, sogar gewonnen zu haben. „Dafür habe ich vorher 20 bis 30 Bücher gelesen“, sagte sie kichernd. Auch für ihre Amtsvorgängerin Gabriele Fischer war gestern ein „superschöner Tag“. Allerdings hätte sie sich für die neue Bibliothek mehr Platz gewünscht und dafür nicht auf die vierte Etage verzichtet, die bekanntlich vermietet werden soll. „Gabi, pass auf, was du sagst“, warnte Jakobs amüsiert, worauf Fischer gut gelaunt konterte: „Ich kann sagen, was ich will, ich bin jetzt frei.“

Doch es gab auch Mahnungen. Der 23-jährige Martin Elsmann forderte besondere Veranstaltungen und eine exzellente Präsentation des Wissensschatzes, um jugendlich-bequeme Internetnutzer für die neue Bibliothek zu gewinnen. Auf einer langen Zettelreihe hinterließen Besucher ihre Wünsche für die Zukunft – angefangen von verlängerten Öffnungszeiten über gemütliche Leseecken bis zu für alle höhenverstellbaren Sitzgelegenheiten. Um für solchen Luxus Platz zu schaffen, kam einiges von der alten Ausstattung unter den Hammer: von Schallplattenpaketen über alte Resopaltische bis hin zu einem ordentlichen Posten Polsterstühle im strapazierfähigen 70er- Jahre-Chic aus 100 Prozent Kunstfaser. Mit dem eingenommenen Geld will Mattekat die Umzugskosten kleinhalten.

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